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Ideen zuführt, und ich nenne eine Idee hoch, die sich
an die höchste Seite (faculty) der Seele wendet, sie
weitet und durch diese Wirkung über sich hinaus-
hebt. Aus dieser Delinition hoher Kunst ergibt sich
die des großen Künstlers von selbst. Der größte
Künstler ist der, welcher in der Gesamtheit seiner
Schöpfungen die größte Zahl höchster Ideen ver-
wirklicht.
[Weil Ruskin seine Forderungen malerischer Werte
in die Form von Ideen gekleidet hat, meinte man, er
habe die Bedeutung künstlerischer Werte nicht ge-
kannt und sei in die Fußtapfen derer getreten, die
von der Kunst Darstellung abstrakter Ideen ver-
langten. Nichts hat ihm ferner gelegen. Er versteht
unter „Idee" das, wozu Locke den Ausdruck geprägt
hat. Es handelt sich hier nicht um die Platonischen
Ideen; nicht um das Gattungsmäßige, Allgemeine eines
jeden Dinges, nicht um ein jenseitiges, seiendes,
ewiges Urbild der Erscheinung, den Typus jeden
Dinges; nicht um die Idee, welche einen Begriff aus-
drückt. Auch nicht um die I-Iegelsche Idee, als dem
Idealbild und der wesenhaften Essenz alles Vorhan-
denen, noch weniger um einen aus einer anderen
Kunst übernommenen inhaltlich konkreten, etwa novel-
listischen oder dramatischen Zug. Ruskin beruft sich
ausdrücklich auf Locke, der das W011 im Sinne von
Vorstellung anwendet. Nach Locke sind: „Reale
Ideen solche, die ihre Begründung in der Natur haben,
die übereinstimmen mit dem wirklichen Sein und der