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als die Gesichtspunkte, die für den Künstler maß-
gebend sind, dem Publikum fasslich und annehmbar
zu machen, und den Künstlern vor Augen zu stellen,
dass das Publikum von der Kunst auch geistige Ein-
wirkungen erwarte z] Ein Bild, das edlere und zahl-
reichere Vorstellungen ausdrückt, steht höher als ein
anderes, das weniger edele und zahlreiche Vorstel-
lungen, wenngleich vollendet veranschaulicht. Auch
das ausgeführte Werk eines großen Künstlers über-
trifft seine Skizze nur dann, wenn das, worauf der
künstlerische Genuss beruht Farbengebung und
Technik so angewandt sind, dass sie die Impres-
sion auf die Höhe des Gedankens heben. Nur der
Gedanke spricht zum Gedanken, und sobald das
Raftinement oder die Vollendung des Bildes um den
Schatten einer Vorstellung erkauft wird, sobald wirkt
seine Vollendung als Makel. Obwohl nun in all un-
seren Betrachtungen über Kunst ihre Ausdrucksmittel
von dem Inhalt unterschieden und ihm untergeordnet
sind, gibt es in der Malerei wie in der Sprache
gewisse ihr inhärente Vorstellungen, so dass jeder
Kunstgenuss auch organische Beziehungen zur Ver-
nunft hat. Der farbigste Glanz eines Gemäldes ist
gar nicht zu vergleichen mit der Farbenpracht des
geschliffenen Prisma. Sobald es sich nicht um ver-
iiunftgemäße Wahrnehmung einer bestimmten Be-
deutung und Verteilung von Farben handelt, hat das
Auge daran ein viel stärkeres, rein sinnliches Wohl-
gefallen. Ja, der Terminus „Vorstellung" (Idea) er-