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eigenes Erleben, kein Empfinden aus erster Hand,
nur überkommene Meinungen. Jede ursprüngliche
Vorstellung beruht auf dem Bewusstwerden eigener
Sinneseindrücke und eigenen Empiindens und ver-
vollständigt sich in dem daraus fließenden Vernunft-
gemäßen Denken.
Niemand wusste von ihm, niemand kannte ihn. Um
sich Gehör zu verschaffen für seine in der Kunst bis
fließenden
Vernunft-
dahin unerhörten Ideen, glaubte er sie dem Gedan-
kensystem einer anerkannten Autorität eingliedern zu
müssen. Lockes Formeln boten ihm die willkommene
Anknüpfung für den Erfahrungsgrundsatz, dass es sich
in der Kunst zunächst um die auf die Sinne wir-
kenden Ausdrucksmittel handele; um das technische
Vermögen, geistig verarbeitete Sinneseindrücke zu
veranschaulichen. Er wählte Lockes Formel der Idea
oder Vorstellung schlechthin und presste die künst-
lerischen Werte, auf die es ihm ankam, in das Pro-
krustesbett seiner phil0sophisch-systematischen Aus-
drucksweise.
Die fremde Rüstung hemmt seine Kampfesweise auf
Schritt und Tritt, bis er sie ablegt und seine An-
schauungen in einer neuen Form verkündet. Nur
der I. Band der ,Modern Painters' geht anfangs auf
philosophischen Stelzen.
Zunächst differenziert er seine Ausführungen bis zur
Spitzfindigkeit und hebt ihre Widersprüche bis an
die Grenze gegenseitiger Verneinung hervor. Aber
nur scheinbar. Erstrebt er doch nichts geringeres,