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In seinem Erscheinen offenbarte sich keine Geistes-
macht. Er war ein Wesen von irdischer Kraft und
menschlicher Leidenschaft, von zugreifenden Armen
und verwundbarem Fleisch. Setzen wir an Großem,
das aus dem Traum und Meißel der Heiden hervor-
gegangen ist, was wir wollen, neben den Heerführer
der christlichen Kirche, den Erzengel Michael. Nicht
Miltons Erzengel mit feindlicher Stirn und entflamm-
ten Zügen'; selbst da nicht, wo er die Hügel des
Paradieses königlich ersteigt. Nicht Rafaels heiligen
Michael, mit ausgebreiteten Flügeln und gezücktem
Speer. Aber Peruginos, mit dem unbefleckten, drei-
fachen Helmbusch, die Hand auf dem gekreuzten
Schwert, der Gürtel der Wahrheit seine unbefleckte
Rüstung umgürtend. Gott hat ihm seine Macht über-
tragen; unwiderstehlicher Glanz ist über ihn gebreitet.
Es sind nicht Linien irdischer Kraft, keine Spur ir-
dischen Zorns in seinen Zügen. Vertrauensvoll, ge-
dankenvoll, furchtlos, aber liebeerfüllt, unfähig andern
Sieg zu erringen als den ewiger Ruhe, ist er nur
Gefäß und Werkzeug göttlicher Allmacht. Vom Lichte
des Siegers erfüllt wie von einer Wolke, liegt der
Staub irdischer Gewalten und I-Ierzogtümer unter
seinen Füßen. Sein geistiges Ohr vernimmt das
Brüllen der Hölle nur wie das Sausen einer Meer-
muschel vom fernen Gestade. Vergeblich den Ver-
gleich weiter zu spinnen. Beide Kunstarten haben
nichts gemein, und das Gebiet der heiligen Ge-
schichte, Wesen und Ziel christlicher Empfindung