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nicht notwendig zur Erscheinung bringt. Darum sind
die größten Maler hier fantastisch geworden und ha-
ben alles herbeigezogen, was sie an Bosheit fanden
in Hörnern, Hufen und Klauen. Giottos Satan im
Campo Santo, dem die Schlange am Herzen nagt, ist
schön; ebenso viele Teufel des Orcagna und die des
Michelangelo immer. Tintoretto hat in Christi Ver-
suchung mit der ihm eigenen Wahrheit der Erfindung
den bösen Geist unter der Gestalt eines lichten En-
gels dargestellt, dessen Flügel silbern und scharlach
schimmern, dessen Züge sinnlich und verräterisch
glühen. Es ist interessant, das Ergebnis der Fantasie
mit dem gewaltiger Geistreichigkeit, in den Dämonen
dieser großen Maler zu vergleichen. Selbst die
Nachtgespenster, wie Salvator sie malt, und die ein-
fach widerlichen idiotischen Verzerrungen in den sinn-
losen, schreckensbaren Ungeheuern von Bronzino in
dem großen Bilde der Uflizien. Hier hat der völlig
eriindungslose Maler alles vereint, was greulich ist
an hängendem Fleisch, knochigen Gliedern, Kranich-
hälsen, stierenden Augen und struppigem Haar, und
erregt mit dem allen doch nicht so viel wahren
Schauder, wie ein Maler von Fantasie in eine Bewe-
gung der Lippen, oder ein Stirnrunzeln legen könnte.
Ein schönes Beispiel von der Wirkung, die höhere
Wesen durch ihr geistiges Übergewicht auf die Natur
ausüben, gibt Giovanni Bellini in seinem heiligen
Hieronymus. Der Heilige sitzt auf einem Felsen, seine
große Gestalt hebt sich deutlich vom offenen grünen