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gungen neben menschlichen Gestalten, die weder
durch feierliches Licht noch Spuren der Körperlosig-
keit bezeugt werden. Sie wandeln in menschlicher
Gestalt im Tageslicht, frei auf Erden, Schulter an
Schulter, Hand in Hand mit den Menschen. Und
doch wirken sie wie Engel: they never miss of the
angel.
Wer das darstellen kann, hat den höchsten Gipfel
und das äußerste Können idealer Kunst erreicht. Er
bedarf fürder weder Wolke, Blitz, Sturm oder geheim-
nisvoller Schrecken. Sein Werk bleibt bestehen,
wenn die Elemente vor I-litze zerschmelzen, die das
Firmament erleuchtet, und vor der selbst die Sonne
schwarz werden wird wie ein härener Sack.
Welche Mittel können das bewirken?
Wir betrachten zunächst den Ausdruck übernatiirlicher
Einwirkung auf rein menschliche Gestalten wie Si-
byllen und Propheten. Wir sind hier nicht berech-
tigt, den Ausdruck höchster Veredlung der mensch-
lichen Gestalt zu erwarten. Mehr wäre nicht er-
reichbar bei einer Personifikation der göttlichen
Gegenwart selbst, statt wie hier, der bloßen Gefäße
ihrer Offenbarungen. Wo es sich daher nur um
Inspiration und nicht um das göttliche oder engelhafte
Sein selbst handelt, darf man nie die äußerste Grenze
der Schönheit darstellen. Von dieser Reserve und
Unterordnung finden sich die lehrreichsten Beweise
in Angelicos Werken. Menschlichen Typen verleiht
er untergeordnetere Züge, selbst wenn er sie ver-