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menschliche
Gestalt,
wie
in
dem
Glanz
auf
Moses
Angesicht.
Wo es sich hierbei überhaupt um eine Gestalt han-
delt, ist es die Gestalt einer uns bekannten Kreatur,
und nicht die einem Geist eigentümlichen. Eine
solche vermöchten wir auch gar nicht zu schauen.
Wir fragen daher nur nach den Modifikationen, durch
welche uns die Kunst diese Kreaturen als Träger der
Gottheit, oder engelhafter Wesen, bewusst macht.
Dies geschieht auf zweifache Art. Einmal durch
äußere Änderungen, die sich mit der wirklichen Natur
der Geschöpfe nicht vertragen. Z. B. erscheinen sie
in ungeheurer Größe, in unnatürlicher Farbe, aus
Gold, Silber oder Flamme bestehend; oder ihre Stoff-
lichkeit ist aufgehoben und sie sind nur noch Licht
oder Schatten, Wolke oder Nebel. Oder die Erschei-
nung wird durch mitwirkende schreckliche Zeichen
erläutert, durch seltsame Lichter und Glanz in der
Runde. Oder sie erscheint als Verbindung zweier
Kreaturen, wie der geflügelte Engel.
Der Eindruck des Übernatürlichen wird ferner erzielt,
wenn die wirkliche Gestalt als volle, substantielle
Gegenwart, ohne äußere Interpretation allein durch
ihre innere Würde zu solcher Höhe wächst, dass es
unmöglich ist, sie nicht als übermenschlich zu em-
pünden. An der Nordseite des Campo Santo in Pisa
ist eine Reihe Gemälde aus der alttestamentlichen
Geschichte von Benozzo Gozzoli. In den frühesten
dieser Bilder sehen wir engelhafte Vergegenwärti-