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im British Museum und der Fisch neben dem Jonas
des Michelangelo. Die Fantasie, die hier waltet, fin-
den wir nicht in dem völlig verwirklichten Floren-
tiner Eber, noch in Rafaels Fischzug. Und doch
beruht Vornehmheit und Schicklichkeit dieser Typen
bei dem einen auf seiner architektonischen Bestim-
mung und Charakter, und bei dem anderen auf seiner
symbolischen Bedeutung. Es würde uns stören, die
Formen des ägyptischen Löwen für die Rafaelische
Darstellung in Simsons Kampf mit dem Löwen ein-
zutauschen, noch wäre Michelangelos Walfisch erträg-
lich in den Fischnetzen von Genezareth. Derartige
Verallgemeinerungen sind demnach nur zulässig, wo
die Gestalt nicht das Leben verwirklichen soll, son-
dern symbolische Bedeutung hat, und als Dekoration
oder Träger der Architektur verwandt wird. Dies
macht eine typische Form notwendig. Die ent-
gegengesetzte Behandlung kommt drollig zum Aus-
druck in Carlo Dolcis St. Petrus im Pitti, den man,
nach seinem hervorragenden Hahne mit glänzendem
Gefieder und scharlachrotem Kamm, versucht ist für
einen Geflügelhändler zu halten. Diese Behandlung
der tierischen Form wirkt hier beleidigend durch
die kleine und gemeine Art ihrer Verwirklichung.
Andere Hände hätten einen wirklichen Hahn würdig
behandelt. Dieser Hahn taugt aber nur an den Brat-
spieß. Man vergleiche damit Tintorettos teils sym-
bolische Behandlung, teils prachtvolle Verwirklichung
des übernatürlichen Löwen im Bildnis des Dogen