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Farbe zu vervollkommnen, wage ich hier nicht zu
entscheiden. Anerkannte Autoritäten und die Praxis
des Altertums sprechen für Farbe; ebenso die Skulp-
turen des Mittelalters. Die beiden Statuen von Mino
da Fiesole in der Kirche St. Catarina in Pisa waren
farbig, die Iris der Augen dunkel getönt und das
Haar vergoldet, ebenso bei der Madonna in St. Maria
della Spina; die Augen der Skulpturen von Orcagna
in Or San Michele waren auch gemalt. Es wirkt
aber wie ein barbarisches Überbleibsel, und ich habe
nie Farben auf festen Formen gesehen, die nicht für
mein Gefühl jedes andere Können neutralisiert hätten.
Die Terrakotten des Luca della Robbia sind ein pein-
liches Beispiel dafür, und in niederer Kunst die
erhabene Arbeit der Florentiner Mosaiken. Vergol-
dung ist eher zulässig und wirkt oft lieblich bei selt-
sam gezeichneten Figuren, wie an der Kanzel von
St. Maria Novella, während es die klassischen Orna-
mente des Simses schädigt. Aber die wahre Größe
der Skulptur liegt für mich in weißer Gestalt; dies
Gefühl beruht vielleicht mit auf der Schwierigkeit,
vielmehr der Unmöglichkeit wirklich edler Farben-
gebung; aber selbst wenn man die Elgin-Marbles mit
Giorgiones Fleischton kolorieren könnte, würde ich
lieber darauf verzichten.
Was nun Farbe ohne Form anlangt, so ist sie schwie-
riger zu erreichen und kaum wünschenswert. Und
doch glaube ich, dass zu ihrem vollen Genuss ein
gewisses Opfer der Formen verlangt wird; etwa durch
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