Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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beständig vereint und es gilt daher stets die fühllose 
Seite der Geistreichigkeit von der fühlenden der 
Fantasie zu unterscheiden. 
[Ruskin erläutert nun an mannigfaltigen Beispielen aus 
der englischen Poesie die verschiedene Art beider 
Fähigkeiten sich zu äußern. Da aber die einzelnen 
Worte, auf die es im Zusammenhange ankommt, in der 
Übersetzung nicht genau denselben Sinn wiedergeben, 
folgen hier wenige erläuternde Beispiele aus der 
deutschen Poesie. 
In 
Goethes 
Versen 
3.115 
dem 
West-östlichen 
Divan: 
lst es 
Drück 
möglich Stern der Sterne, 
ich endlich dich ans Herz! 
Ach, was ist die Nacht der Ferne 
Für ein Abgrund, für ein Schmerz! 
würde Ruskin die beiden ersten Zeilen als geistreich 
bezeichnen; denn die durchdringende Fantasie, die 
ihre Vorstellungen schaut, ist unbeteiligt dabei: der 
Stern ist in diesem Zusammenhange nur ein auf die 
Geliebte begrifflich übertragenes Bild, das nicht auf 
Anschauung beruht. Die beiden letzten Zeilen sind da- 
gegen Ausdruck der eindringenden und anschauenden 
Fantasie, denn das Gleichnis bringt die Empfindung ver- 
stärkt zur Anschauung. In Goethes Lyrik findet man 
durchgehend Belege für das was Ruskin unter Fan- 
tasie der Anschauung versteht. Sie webt überall die 
Einschlagefäden von Bild und Sache. Man vergleiche
	        
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