Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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ab, inwieweit die Fantasie in die wesentlich wahre 
Natur der Darstellung eindringt, und wie völlig sie 
alle Ketten und Fesseln rein äußerlicher Natur ver- 
achtet, die dem, was sie suggerieren will, hinderlich 
sind. In Tintorettos ,Taufe' schneidet sie die Baum- 
stämme ab als wären es Wolken oder Nebel, um dem 
Gedanken die Reihenfolge der Scene vorzufiihren. 
In seinem ,Kindermord' gießt sie geisterhaftes Licht 
auf den Marmorboden, um Schrecken in dem Beschauer 
zu erregen, ohne sich zur Metzelei zu erniedrigen. 
Es ist ihr verächtlich die rohe Tatsache darzustellen, 
und sie begnügt sich dabei, ihre furchtbare Emplin- 
dung hervorzurufen. Sie stellt uns immer dem wirk- 
lichen Vorgang gegenüber, Aug in Auge; zugleich aber 
macht sie uns eine übernatürliche Stimme vernehmbar. 
Was in der Vision zweifelhaft erscheint, gewinnt Stärke, 
Spannkraft und Sicherheit durch die darin der Wirk- 
lichkeit entnommenen Tatsachen . . . 
Michelangelo hielt dafür, dass die Fantasie im Steine 
völlig zum Ausdruck komme und ihrer Natur nach 
unabhängig von den Hilfsmitteln der Farbe und des 
Schattens sei, durch welche Tintoretto sie so wirkungs- 
voll macht. Die Fantasie kann im Marmor so tief, 
durchschauernd und feierlich gegenwärtig sein, wie 
in der Malerei, und der Bildhauer erweckt aus dem 
Gestein die Seele, die seine Gestalten bewegt. 
Wie nichtig wirkt Canovas gewundene Grazie und 
sein Ballsaalempfinden der intensiven Wahrheit, Zart- 
heit und Kraft solcher Männer gegenüber wie Mino
	        
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