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Visionen des Todes.
Geländer zur Linken;
Eine weite Treppenflucht ohne
an ihr treibt eine Schar Frauen
hernieder im Handgemenge mit den Mördern; einer
Mutter ist das Kind in den Armen gepackt. Sie wirft
sich zu Boden und stürzt kopfüber herunter, das Kind
durch ihr Gewicht mit sich fortreißend. Im nächsten
Momente
wird
sie
zerschmettert
sein
Alles
ist in einander verstrickt und wogt in wütend hoff-
nungsloser Verlassenheit von Leib und Seele in dem
einen
Rasen
zu
retten.
Dies scheint mir die einzig fantasievolle, d. h. die
einzig wahre, wirklich empfundene Darstellung des
Vorganges zu sein. Ich würde die Geduld des Lesers
erschöpfen, wollte ich mehr sagen von den verschie-
denen überwältigenden Entwicklungen der Fantasie,
die Tintorettos Kunst allein in der Scuola di San
Rocca erreicht hat. Ich verweilte gern bei seiner
feierlichen Ruhe auf der Flucht nach Egypten, wo die
silbernen Zweige der schattenden Bäume, mit ihren
zitternden Umrissen die Vorhänge der in blassrotem
Licht schimmernden Wolken umsäumen, und sich auf
die blauen Streifen zwischen den rosigen Wolken-
inseln, die wie lichte Spuren dahin gleitender Kähne
funkeln, erstrecken. Oder ich möchte mit den schla-
fenden jüngern unter den mächtigen Blättern wachen,
die so schwer auf der Todesnacht liegen, und furchtbar
über den dampfenden Fackeln hin und her wogen, als
die Schar des Verräters aus dem Olivendunkel her-
Vortritt.
Ich
möchte
in
der
Stunde
der Anklage
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