Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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Anlage genossen werden. Ein Werk hoher Konzep- 
tion wird sich oberflächlicher Betrachtung nie ganz 
erschließen; besonders, wenn die Fantasie sich be- 
fleißigt, verborgene und weitabliegende Beziehungen 
durch geringfügige Einzelheiten auszudrücken. 
Tintorettos Fantasie ist z. B. von solcher Intensität, 
dass er dem gleichgültigsten Dinge eine fast unbe- 
grenzte Suggestivität verleiht; jedem geringsten Steine 
oder Schatten gibt er eine orakelhafte Bedeutung. 
Von Giottos reiner bis zu Salvator Rosas unerträg- 
lich brutaler Gefühlsweise ist jede Auffassung in der 
Darstellung der Taufe Christi vertreten. Aber keine 
ist so eindrucksvoll wie Tintorettos. Giottos Dar- 
stellung in der Academia zu Florenz ist eine der 
rührendsten, besonders in dem ehrerbietigen Tun der 
dienenden Engel. In Verrocchios Taufe ist der von 
Leonardo gemalte Engel ganz wundervoll. Aber der 
Vorgang tritt einem in seiner tieferen Bedeutung 
nicht nahe. Die herabschwebende Taube lässt uns 
kalt; ihre beständige Symbolik hat uns abgestumpft; 
sie wirkt als Buchstabe, aber nicht als aktuelle Ge- 
genwart des Geistes. Fast alle frommen Maler las- 
sen sich die Wirkung der Landschaft entgehen. Ihr 
Himmel, ihre Berge, ihr Laub mögen bewundernswert 
sein, aber mit Wasser und Felsen im Vordergrund 
wissen sie nichts anzufangen. Die sechseckigen Ba- 
saltknäufe ihrer Flussufer lassen den Empfänglichsten 
kalt. Besonders in Angelicos Leben Christi. An 
diesem Gegenstande treten die Schwächen auch der
	        
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