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dringen, unser Lachen verstummt. Hierauf beruht es,
dass die Intensität des moralischen Empfindens der
Macht der Fantasie entspricht. Denn die stärkste
Sympathie hegt, wer am intensivsten eindringt, am
tiefsten blickt und am sichersten bewahrt; wer so
eingedrungen ist und die tiefe Schwermut der Dinge
erschaut hat, den erfüllt die intensivste Leidenschaft
und Lindigkeit des Mitleids. Darum lässt sich die
Kraft der Fantasie immer an der Zartheit der Em-
pfindung prüfen, die sie im Gefolge hat. Darum gibt
es, wie Byron sagt, keine Zartheit, die Dantes Zartheit
gleich käme, noch seiner Intensität und seinem Ernst.
Ein Ernst, der unfähig ist, das Banale oder Lächer-
liche aufzunehmen, sondern Alles in dem weißglühen-
den Feuer des eigenen Empfindens umschmilzt. Ich
sehe in der Neigung unserer Zeit zu seichtem und
gemeinem Scherz das größte Hindernis für das in
Kraft treten der Fantasie und das Ende aller Hoheit.
Denn wenn in einem guten und hohen Werk Fehler,
Mängel oder verletzbare unbehäutete Stellen sind,
wo der Witz einhaken und sich einnisten kann, so
wird sie aufgedeckt und auf sie hingewiesen, um sie
her gesummt, hineingestochen wie von Fliegen in
eine offene Wunde. Nichts wird ernsthaft genommen,
oder so, wie es gemeint war, sondern womöglich
verdreht und missverstanden. Dabei lässt sich nichts
Hohes vollbringen. Die Menschen können nicht wagen,
uns ihr Herz zu erschließen, wenn wir es dafür am
Dornfeuer rösten. Dies also ist" ein wesentlicher