257
schaffen, wenn er sich streng an sein Vorbild hält.
Es wäre gut, wenn alle Künstler das täten; denn
die Fantasie, die sie besitzen, dringt überall durch
und offenbart sich in jedem Pinselstriche. Ohne sie
versinken sie in Nichts, wenn sie die Natur ver-
lassen.
Die Natur ist immer fantasievoll. Daraus folgt aber
nicht, dass ihre Fantasie sich immer auf hohe Dinge
richte. . . . Es gibt z. B. wenige Landschaften, deren
Harmonie sich nicht steigern ließe, wenn ein stören-
der Punkt fortliele oder ein sympathetischer verstärkt
würde. Die Fantasie verbannt alles überflüssige; aus
vielen Fäden verschiedenen Fühlens, die sich in der
Natur verwirren, greift sie nur einen heraus, und wo
er dünn und zerreißbar ist, spinnt sie ihn fester;
statt sich zu verknoten, verwebt er sich so mit neuen
Fäden. Ihr Werk wirkt so rein und so wahr, wie
die
Natur
selbst,
und
man
rät
auf
sie
nur
3115
ihrer
Einfachheit.
Ein
weiteres
Zeugnis
für
ein
Werk
der
Fantasie ist, dass es immer wirkt wie unmittelbar aus
der Natur hervorgegangen, während das fantasielose
Werk Verknotungen und Fugen aufweist und die Will-
kür seiner Komposition.
Wenn etwas unnatürlich wirkt, beruht es nicht auf
Fantasie. Oft lobt man unwahre Darstellungen als
Erzeugnisse der Fantasie. Hierauf ein für allemal:
Die Fantasie wagt sich nie an etwas heran, das nicht
wahr wäre. Daraus folgt nicht, dass wo etwas den
Schein der Wahrheit trägt, dies von der Fantasie be-
17