Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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in der Landschaft zu vernachlässigen, sie nur in 
großen Massen zu behandeln und nur allgemeine 
Wahrheiten darzustellen. Die Beweglichkeit des Laubes, 
aber nicht seine Art. Die Härte der Felsen, aber 
nicht ihr mineralogisches Gestein. Reynolds be- 
lehrt uns in seiner XI. Lektion, dass der Landschafter 
nicht für den Virtuosen und Naturforscher arbeite, 
sondern für den allgemeinen Beobachter des Lebens 
und der Natur. Das ist wahr in demselben Sinn, in 
dem der Bildhauer nicht für den Anatomen, sondern 
für den gewöhnlichen Beobachter des Lebens und 
der Natur schaiTt. Deshalb darf der Bildhauer aber 
nicht der Erkenntnis und Wiedergabe anatomischer 
Einzelheiten ermangeln. Je raffinierter er dies aus- 
drücken kann, um so vollendeter sein Werk. Was 
dem Anatomen Zweck, ist dem Bildhauer Mittel. 
Der erstere begehrt Einzelheiten um ihrer selbst willen, 
der andere, um sein Werk mit Leben zu durchglühen 
und in Schönheit zu prägen. Ebenso in der Land- 
schaft. Botanische und geologische Einzelheiten stei- 
gern nur den Gesamteindruck. Am Vordergrund von 
Tizians ,Pietro Martiri' lobt Reynolds es besonders, 
dass die Pflanzen genügend ausgeführt seien, um ihre 
Unterschiede festzustellen, aber nicht mehr. Aber 
Reynolds irrt sich. Er selbst ist ein seltsames Bei- 
Spiel für den Irrtum, den er Vasari verwirft: das 
zu sehen, was er sehen will. Er sieht vielmehr nicht, 
was er nicht sehen will. 
Die großen italienischen Maler und ganz besonders
	        
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