641-
strakter Schönheit, die der Geist des Künstlers zu-
sammenfasst. Das würde aber keine Harmonie er-
zeugen. Wir sahen in dem Kapitel über Einheit,
dass Gleichheit die Harmonie oder Einheit der Dar-
stellung aufhebt; dass Verschiedenheit sie nicht un-
bedingt gewährt, sondern allein jene Unvollkommen-
heit der Einzelheiten, die nur durch eine ihr ent-
sprechende Unvollkommenheit ergänzt wird. Soll die
Kombination harmonisch wirken, so muss der Künstler
jede Einzelheit soweit unvollendet lassen, dass eine
andere sie ergänzen kann. Wenn ihm dies gelungen
ist, dann hat er einen schönen Erfolg erzielt. Er hat
ein Ganzes, einen in seinen Einzelteilen lebendigen
Organismus erzeugt: er ist ein Schaffender.
Wo nicht, dann mögen seine Einzelzüge so schön,
einander so ähnlich oder entgegengesetzt sein, wie
sie wollen, sie bilden kein Ganzes. Sie sind zu-
sammengeleimte Glieder und nicht mehr als das Werk
eines Schreiners oder Zimmermanns.
Da die Möglichkeiten in sich unvollkommener Einzel-
züge unendlich sind, kann der Künstler sie unmöglich
alle ausprobieren. Darum muss er sie in ihrer Be-
ziehung zu einander zugleich schauen. Dies vermag
die Fantasie; das was mit Recht so heißt. Die
associative Fantasie, die die Dinge mit einander
verknüpft, ist die größte mechanische Fähigkeit des
menschlichen Intellekts, die bei genauerer Betrachtung
immer wunderbarer wird. Aus einer unendlichen
Menge erwählt sie zwei Vorstellungen, die einzeln