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eines Tones. Obwohl nun Schillers Behauptung nicht
positiv zugegeben wird, scheint sie doch praktisch
in dem Tun und der Lehre frommer Männer zum
Ausdruck zu kommen, die, wenn sie uns Gottes Liebe
preisen, nur selten Bezug nehmen auf die Dinge, in
denen sie sich am meisten und unmittelbarsten er-
zeigt. Sie bestehen darauf, dass Gott Brot, Unterhalt
und Gesundheit gewähre, was er aller untergeordneten
Kreatur verleiht; aber sie verlangen nicht, dass wir
ihm für die Herrlichkeit seiner Werke danken, die
er allein den Menschen befähigt hat wahrzunehmen.
Sie ermahnen uns, im Kämmerlein anzubeten, aber
sie senden uns nicht in der Abendkühle auf die
Felder. Sie verweilen bei der Pflicht der Selbstver-
leugnung, aber stellen uns Bewunderung und Ent-
zücken nicht als Pflicht dar. Gründe hierfür gibt
es genug in den Kämpfen und der Arbeit eines
ernsten Geistes, der in seinen Anstrengungen, die
Menschen aus äußerstem Elend zu lösen, oft nicht Zeit
hat auf anderes zu achten als auf das nackte Leben.
Ich aber glaube, dass weniger Schwachheiten, Trüb-
sale, Eitelkeiten, Irrungen und Sünden, die oft die
Wirksamkeit der frömmsten Menschen lähmen, vor-
handen wären, wenn sie in ihrem Kampf mit der ge-
fallenen Natur mehr Hilfe suchten bei der unzerstörten
Natur. Die eigentliche Ursache der Gefühlsstumpf-
heit gegenüber der Herrlichkeit des Grases und der
Blume liegt weniger im Eifer der Arbeit, im Ernst
des Mitleids oder himmlischen Verlangens als in der