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malten
und
das
Gute
fortließen.
Selbst
Tizian
ist
das in seiner Akademiestudie zu Venedig begegnet,
die er St. Johannis benennt, und allen Künstlern nach
Rafaels Zeit, die ich kenne, wie Guido Reni und den
Carracci. Trotzdem bildet es die notwendige und be-
währte Basis aller idealen Kunst, noch hat je ein
großer Mann geträumt, sie bis ans Ende seiner Tage
entbehren zu können. Es gibt kein sichtbareres
Zeichen mangelnder Lebenskraft und Hoffnungsfreude
der gegenwärtigen Malerschulen, als die unglückliche
Niedlichkeit, mit der sie alles gleich maskieren, gegen
die sie vielmehr, in ihrem Hunger nach dem Linsen-
gericht, alles Erstgeburtsrecht und alle Kraft der Natur
eintauschen. Eine Niedlichkeit, die im Atelier gespon-
nen und ausgewirkt wird, bis die Kunst schließlich
nichts besseres darstellt, als Puppen, denen in Barbier-
fenstern und Modejournalen Haare und Kleider umge-
hängt werden; abstoßend für jeden, der offene Augen
hat für das göttlich unsterbliche Siegel auch auf
gewöhnlichen Zügen, denen er auf den Landstraßen
und an den Zäunen täglich und stündlich begegnet;
eine Herrlichkeit, welche die angestrengteste Kon-
zeption und alles verwirklichende Können übertrifft.
Nur Liebe vermag diese Zeichen zu lesen, nur Sym-
pathie ihren Laut zu vernehmen. Keine reine Leiden-
schaft, die verstanden oder dargestellt werden könnte,
als von Herzensreinheit; ein faules oder rohes Ge-
fühl findet in allem nur sich selbst wieder, und wird
alles Hohe schmähen und verlästern. Es erblickt im
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