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wirklichen ist, steht in jedem Aufsatz über Kunst ge-
schrieben und ich brauche nicht dabei zu verweilen.
Bei der edelsten Rasse, den Griechen, wurde das
Sehen und Erkennen der Schönheit menschlicher Ge-
stalt von Kind an gepflegt. Der Körper war durch
kräftigende Übungen, aber nicht durch aufreibende
Fertigkeiten ausgebildet; durch Laufen, Diskuswerfen,
Reiten; er betätigte sich in Ausdauer, nicht in Über-
anstrengung; stählte sich im Wechsel von Winter
und Sommer, Kälte und Hitze, in einem gemäßigten
Klima. Das Leben trug den Charakter eines maß-
vollen Luxus, der die kräftigen Formen der Glieder
milderte und verfeinerte. So weit der Anblick kör-
perlicher Schönheit seelisches Verständnis für die
edeln Züge der menschlichen Gestalt schärfen konnte,
um aus den vornehmsten Erscheinungen die voll-
kommensten Einzelheiten zu abstrahieren und zu
kombinieren so weit begriff und erreichte der
Grieche das künstlerische Ideal der Menschheit. Auf
der Art, wie die Griechen es erlangt haben, ver-
weilen die Schriftsteller, deren Meinungen ich hier-
über gesammelt. Aber was mir das wichtigste ist,
lassen sie fort, nämlich welchen Einfluss, im Guten
und Bösen die Seele auf die leibliche Gestalt ausübt,
was sie zum Wrack der Seele macht und wie ihre
Wiederherstellung erlangt wird.
Die sichtbare Wirkung der Seele auf den Leib fallt
unter drei Gesichtspunkte. Geisteskräfte treten im
Schnitt und in Bildung der Züge hervor; sie ent-