Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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mäßigen Zweigen in die Höhe und Breite entwickelt 
habe. Die wilde Eiche mag knorrig, zerzaust und 
vom Sturm zerwühlt und felsverstrickt sein. Hat sie 
in allem Unglück die Würde der Eiche gewahrt, dann 
ist sie eine ideale Eiche. Ich halte sie sogar für 
idealer als die wohlgepflegte Eiche, denn ihre An- 
strengung und ihr Ringen haben ihre Eigenart, als 
da ist tragende Kraft, Geduld im Ausharren, Scharf- 
sinn im Erlangen ihrer Bedürfnisse, voller entwickelt 
und ihr eigentliches Wesen bestimmter entfaltet, als 
unter glücklicheren Bedingungen möglich gewesen 
ware. 
Das ist der Grund, dass erhöhte oder scheinbar ver- 
besserte Lebensbedingungen von Pflanze und Tier, die 
durch menschliche Einmischung erzielt werden, nicht 
ihr wahres und künstlerisches Ideal verwirklichen. Es 
handle sich denn um die Veredelung von Früchten, 
die dem Menschen zur Nahrung dienen. Wohl ent- 
wickeln sich Pflanzen, die auf unfruchtbarem Boden 
standen, ganz anders in fettem Land; ja, sie blühen 
zu wundervollen Exemplaren ihrer Gattung auf. Aber 
sie büßen ihr moralisches Ideal ein, das auf der 
richtigen Erfüllung bestimmter Obliegenheiten beruht. 
Sie sind von der Gottheit ausersehn einsame Orte 
zu schmücken, auf denen andere Pflanzen nicht ge- 
deihen. Sie sind dazu mit Kraft und Mut ausgerüstet 
und den Fähigkeiten der Ausdauer. Ihre Charakter- 
anlage, ihr Ruhm besteht nicht in schwelgerischem 
und faulem Prassen, auf Kosten anderer, ihretwegen
	        
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