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So freuen wir uns und bewundern die Schönheit der
Kiefern des Ichthyosaurus, die so wunderbar inein-
ander greifen, um ihre Beute zu fangen und festzu-
halten; die Geschmeidigkeit des Löwen zum springen;
die Geschwindigkeit der Heuschrecke zu verheeren;
die Kehle der Lerche zum singen und jede Kreatur
in dem, wozu Gott sie gemacht hat. Diese fromme
Freude an der vollkommenen Ausrüstung der niede-
ren Kreatur nenne ich unter den ästhetischen Wahr-
nehmungen zuletzt, weil
denn sie schließt eine
man sie
Kenntnis
erst
der
spät erreicht;
Gewohnheiten
und Beschaffenheit jeder Kreatur in sich, die die
meisten nur mangelhaft besitzen.
Die vollkommene Idee der Form und Bedingung, in
der alle Eigentümlichkeiten einer Spezies voll ent-
wickelt sind, nennt man das Ideal der Spezies. Jedes
Kunstwerk, das nicht ein materielles Objekt dar-
stellt, sondern seine geistige Idee, ist im ursprüng-
lichen Sinne des Wortes ideal; d. h. es stellt eine
Idee dar, und nicht ein Ding. Jedes Kunstwerk, das
ein materielles Objekt darstellt oder verwirklicht, ist
im ursprünglichen Sinne des Wortes unideal.
Ideale Kunstwerke sind daher Ausdruck der Fantasie,
und gut oder schlecht im Verhältnis zu der Gesund-
heit und Fähigkeit der Fantasie, die sie verwirklichen.
Unideale Kunstwerke, deren Darstellung man realis-
tisch nennt, sind Ausdruck wirklich vorhandener Dinge
und gut oder schlecht im Verhältnis zu der Voll-
endung dieser Darstellung. Alle völlig schlechten
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