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Meinung nach jede Schönheit in allem: in Farbe,
Form, Bewegung, Sprache und Denken. es ent-
steht alsdann das, was wir in der Farbe grell nennen,
in der Form unelegant, in der Bewegung ungraziös,
in der Sprache gemein, im Denken undiszipliniert, in
allem unkeusch. Eigenschaften, die überall höchst
peinlich wirken, als Zeichen regellosen Wandels.
Hierin finden wir endlich die Ursache von dem,
was wir so oft in bezug auf die Subtilität und
die beinahe Unsichtbarkeit natürlicher Kurven und
Farben bemerkt haben, und warum wir die Linien
als weniger schön betrachten, die in weitem Bogen
auseinanderfallen, und die als die schönsten, die
sich am meisten den geraden Kurven nähern;
wie in den geraden, reinen Linienführungen und
dem Faltenwurf der frommen alten Maler. So ist
unter den Farben nicht rot, sondern rosa die
schönste; nicht das aktuelle grün, das wir teilweise
im Sommerlaub sehen und immer in unserer Ma-
lerei, sondern jenes grau-grün, zu dem die Natur
ihre fernen Tinten mäßigt, oder solch blasses und
unbestimmtes grün, wie wir am Himmel bei Sonnen-
untergang, in den Gletscherspalten, dem Chrysopras
und dem Meeresschaum wahrnehmen. Dasselbe gilt
von allen Farben. Nicht, als dürften sie nicht tief
und voll sein, aber es muss eine feierliche Mäßigung
selbst in ihrer Fülle walten, eine heilige Beziehung,
die aus ihrer Natur kommt und über sie hinaus auf
große Harmonien weist, durch die sie geleitet wer-