Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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keusch nennen, selbst in Gottes Schöpfung. Man 
vergleiche die I-Ierbstaster oder Sonnenblume mit dem 
Maiglöckchen. Wenn wir diese Vorstellungen von kom- 
plizierten Dingen auf einfache Linien und Farben über- 
tragen, so werden wir sie auf einen Unterstrom von be- 
ständig angenehmen Empfindungen zurückführen, die 
in materiellen Dingen die Erscheinung einer sich in 
Schranken haltenden Freiheit erweckt. In der Gott- 
heit ist Zurückhaltung keine Schranke, sondern Ge- 
setz, in materiellen Dingen aber wirkt jeder Schein 
von Pein oder dem Mangel an Können und Freiheit 
hässlich und verkehrt. Denn die wahre Zurückhal- 
tung, im Geist des Menschen wie in seinen Werken, 
ist ein williges und nicht peinliches Innehalten vor 
Entfaltung der höchsten Kraftsteigerung. Dagegen 
ist der Anschein von Fesseln oder Beschränkung die 
Ursache des I-Iässlichen, und der Schein, dass das 
Zurückhalten auch nur den geringsten Schmerz oder 
die leiseste Anstrengung verursache, ein Zeichen von 
Sünde. 
Ich habe 
weil ich 
dies Attribut der Schönheit zuletzt genannt, 
es als Gürtel und Sicherheitswache aller 
andern 
betrachte , 
und 
in 
dieser 
Hinsicht 
als 
das 
wesentlichste. 
Es ist möglich, einen gewissen Grad von Schönheit 
ohne einen ihrer anderen Bestandteile zu erlangen, 
wie der Symmetrie oder Einheit. Aber der ge- 
ringste Schein von Heftigkeit oder Extravaganz, von 
Mangel an Maß und Zurückhaltung, zerstört meiner
	        
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