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etwas Stetiges. Sehen wir aber einmal einen
großen Felsen einen Bergabhang herabrollen, wo er
bewegungslos zwischen Farren gebettet liegen bleibt,
dann haben wir den Eindruck vornehmer Ruhe.
Seine Stabilität und Bewegungslosigkeit entsprechen
der Furchtbarkeit und Wucht seines Sturzes.
Einheit verlangt Wechsel, um zum Ausdruck zu
kommen, und Ruhe einen Ausdruck der Energie in sich
schließt. Und dies selbst in ihren niederen Offen-
barungen, in Felsen, Steinen und Bäumen. Im Ver-
gleich zu der Stimmung, mit der wir bewegungslose
Zweige eines schönen, lebenden Baumes in der
Sommerluft betrachten, mit der Wirkung, die ein sol-
cher Zweig hervorbringt, der abgehauen als Tür-
schwelle dient, wird der Leser sofort das Verhältnis
von Lebendigkeit zu Ruhe begreifen, und damit zur
Schönheit . . .
Es gibt kein intensiveres, erhebenderes Verlangen als
nach Ruhe äußerer Dinge.
Kein Kunstwerk ist groß ohne Ruhe. Alle Kunst ist
groß nur, sofern sie Ruhe zur Erscheinung bringt. . .
Wenn man die Zuckungen des Laokoon mit der Ruhe
des Elgin Theseus vergleicht, so gewinnt man eine
Vorstellung dessen, was ich meine . . . . Keine
Gruppe hat einen so verderblichen Einfluss auf die
Kunst ausgeübt, als der ,Laokoon'. Ein übel gewählter,
gemein aufgefasster und unnatürlich behandelter Ge-
genstand, der sich der Nachahmung empfahl durch
feine Ausführung und technische Fertigkeit.