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licher Unkenntnis theoretisch-sophistischer Kompo-
sitionsziemlichkeit.
Durch völlige Gleichheit der Gebärden und Handlung,
und durch unendliche Mannigfaltigkeit des Ausdrucks
erreichen sie die stärkste Erhabenheit, nämlich Ein-
heit der vielfältigsten Leidenschaft, die das Menschen-
herz je erfasst hat. So im St. Markuskloster in
Florenz, die intensive, standhafte, statuenhafte Stille
unaussprechlicher Anbetung der Geister im Gefängnis
zu Christi Füllen, wo einer neben dem andern kniet,
alle mit erhobenen Händen und zitternden Lippen.
Und in St. Domenico in Fiesole, wo bei ,_]esu Auf-
erstehung' das Brausen des Wirbelwindes von Engeln
und erlösten Seelen rings um ihn her zusammen-
klingt mit dem Blasen der wagerechten Posaunen,
und dem verhallenden Rauschen der eingezogenen
Engel-Flügel.
Dasselbe große Gefühl weht durch alle Werke dieser
ernsten Männer, bei Angelico am intensivsten. Man
vergleiche damit die verächtliche, falsche Empfindung
der darauf folgenden Künstler, aus der Zeit, da die
Menschen anfingen, ihre Systeme statt ihre Schmer-
zen am Fuß des Kreuzes niederzulegen.
[Auf Einheit der Aufeinanderfolge, an Melodien der
Musik erläutert, folgt Einheit der Proportion. . . .
Sichtbare Proportion oder die vernunftgemäße Be-
ziehung der Quantitäten untereinander, ist eines der
wichtigsten Mittel, Einheit unter Dingen herzustellen,
die sonst vereinzelt bleiben müssten. Da Proportion