Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

als bisher erreicht worden. Wir dürfen daher so 
wenig das, was die Vergangenheit uns Vollkom- 
menes hinterlassen hat, verkennen, als es für die 
absolute Vollendung, zu der es uns nur anleiten 
soll, halten . . . . . Ein Bild, das die Natur inter- 
pretiert, ist unschätzbar; ein Bild aber, das die 
Natur ersetzen will, würde besser verbrannt. Der 
junge Künstler, der sich mit Entsetzen von dem 
Bilderstürmer abwendet, der jeden Fingerzeig, jedes 
Licht der Alten ihm entreißen und ihn in einen Zu- 
stand der Kindheit versetzen möchte, wird in anderer 
Richtung eben so betrogen, wenn er sich durch die 
Erkenntnis und das Erbe der Vergangenheit fesseln 
und von allem Vorwärtsschreiten zurückhalten lässt; 
wenn er gemalte Leinwand zwischen sich und den 
Himmel und die Tradition zwischen sich und Gott 
stellt." 
Die konventionelle Lehrweise ist am meisten zu 
fürchten, weil jeder große Meister das Höchste in 
der Kunst, alles Schöpferische, alles auf der Fantasie 
beruhende aus sich heraus gestaltet. Wir beurteilen 
einen aufstrebenden Schriftsteller nicht nach dem, 
was er mit anderen gemein hat, sondern nach dem, 
was ihn von anderen unterscheidet. Wohl raten wir 
ihm, in Nebendingen bewährten Meistern zu folgen, 
erklären ihn aber erst für groß, wenn er seinen eige- 
nen Stil gefunden hat.  
Beruht die Kunst auf etwas anderem als auf Kniffen 
und Geheimmitteln, dann sind auch die größten Ta-
	        
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