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Linie, bedeutet Steigerung dem Schatten und der
Farbe. Auf Steigerung beruht ihre Unendlichkeit.
Sie verleiht ihr unendliche Grade. Ganz ohne Stei-
gerung ist keine Oberfläche in der Natur. Sie fehlt
nur in dem, was der Mensch gewöhnlich hervorbringt
und was Krankheit oder Alter ihm aufgeprägt hat.
Vergleiche die Steigerung der Regenbogenfarben mit
den Streifen eines Schilderhauses, und das sich stei-
gernde Vertiefen jugendlichen Errötens auf der Wange
mit einem plötzlich auftretenden roten Flecken, und
den scharf hervortretenden Adern des Alters. Stei-
gerung ist so sehr von jedem Schatten in der Natur
unzertrennlich, dass das Auge in der Malerei einen
Schatten für unwahr hält, der sich nicht steigert. In
der Natur sind fast alle Steigerungen so subtil, und
in so kaum unterschiedlichen Farbentönen, dass
menschliche
Hand
sie
111.11"
andeuten
kann.
Hieraus ergibt sich als künstlerische Regel, dass die
Extreme von hohem Licht und reiner Farbe nur in
Punkten wiederzugeben sind. Je nach dem Gegen-
stand und der Lichtwirkung, muss der größte Teil
des Bildes hell oder dunkel gehalten sein. Aber das
nicht konventionelle Prinzip verlangt, dass über allem
noch so hohen Licht ein Teil noch heller sei als das
übrige, und von aller noch so reinen Farbe ein Teil
reiner sei als die übrige. Auf der allmählichen Stei-
gerung von Licht und Farbe bis zum Brennpunkt
hängt beider Wert in hohem Maße ab. . . .
Auch im Mysterium der Natur liegt Unendlichkeit be-