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Sehnen erfüllt; weniger dem animalischen, gegen-
wärtigen Leben angehörend; ernsten, auf sich selbst
beruhenden Gemütern unentwegter offenbar, aber
auch den Gedankenlosesten wahrnehmbar. Ich über-
lasse es jedem, zu entscheiden, ob der Genuss
einer ruhig leuchtenden Ferne nicht zu dem aus-
erlesensten und denkwürdigsten gehört, der ihm
bewusst geworden. Ob alles, was blendend an
Farbe, vollendet in der Form, erheiternd im Aus-
druck, nicht vergänglich und seicht wirkt im Ver-
gleich zu den leisen, zarten Tönen des horizontalen
Zwielichts, hinter violetten Bergen oder dem schar-
lachnen Streifen der Dämmerung über der dunkeln,
unruhig aufgewühlten See.
Diese Empfindungen müssen eine bestimmte Ursache
haben, und diese, was sie auch sei, muss eins der
ursprünglichsten, ernsthaftesten Motive bilden für das,
was dem menschlichen Empfinden schön erscheint.
Zeigen diese Motive vielleicht schönere Formen als
das helle Tageslicht entwickelt? Wohl nicht; denn
ihr Eindruck ist beinahe unabhängig von den Formen,
die sie annehmen. Es hat wenig zu bedeuten, ob die
leuchtenden Wolken einfach oder mannigfach geformt
sind, die Berglinien majestätisch oder schlicht; die
schöneren Formen irdischer Dinge werden von ihnen
verhüllt, runde, starke Stämme des Waldes ver-
sinken zu schattenhaften Gerippen; purpurne Spalten
der Bergwände verwirren sich in der Dunkelheit,
der quellende Strudel und die wirbelnde Welle des