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sie mit reiferem Urteil zu betrachten, könnten wir
wohl schneller zu richtigeren Resultaten gelangen,
als die Philosophie oder die sophistische Kunst-
praxis bis jetzt erreicht haben . . . . Denn es hat
nie ein Kind der Verheißung gegeben (in betreff der
theoretisch ästhetischen Begabung), das nicht mit
dem ersten Strahl der Vernunft zum Schönheitsbe-
wusstsein erwacht wäre. Ich glaube, es gibt wenige
unter denen, die die Natur anders lieben als berufs-
mäßig und aus zweiter Hand, die nicht auf ihre
frühesten und unwissendsten Tage als die der inten-
sivsten, abergläubischsten, unersättlichsten und bese-
ligendsten Wahrnehmung ihrer Herrlichkeit zurück-
blicken. Ichi erinnere mich an die Erregung, die
der Anblick des offenen Landes in mir hervorrief,
oder die weiten Linien, die hinter dem Himmel
scheinbar das Meer vermuten lassen. Ich habe mich
überzeugt, dass dies Gefühl allen bekannt ist, die
das lebhafteste Naturempfinden besitzen. Ich bin
sicher, dass seine Modifikation, die unseren späteren
Jahren eignet, allen Menschen gemein ist, nämlich
die Liebe zu einer hellen Ferne über einem verhält-
nismäßig dunkeln Horizont . . .
Eine Beleuchtung sucht das Auge unablässig mit
tieferem Schönheitsdurst, als alles übrige: das ver-
glimmende Licht des Tages, der zu Ende geht. Wenn
Flocken dunkelroter Wolken an dem grünlichen Him-
mel wie Wachtfeuer lodern, erwacht ein Gefühl in
uns, nicht heftig aber tief, von religiösem Hoffen und