Volltext: Moderne Maler (Bd. 11/12 = Bd. 1/2)

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Bewusstsein äußerer Anziehungskraft beschränken 
könnten, bliebe noch Raum für viele Irrtümer. 
. . . . Um das Wesen des Schönen zu erfassen, be- 
darf es nur, dass wir mit ernsthafter, liebevoller und 
selbstloser Aufmerksamkeit auf unsere Eindrücke 
achten; so lernen wir das, was bestimmten seichten, 
falschen Zeiten und Temperamenten angehört, von 
dem unterscheiden, was ewigen Wert hat. Und die- 
ses Verweilen und liebevolle Betrachten  (das die 
Deutschen "Anschauung" nennen)  ist vielleicht 
dasselbe, was die Griechen als "Theoria" bezeichne- 
ten. In der Tat eine hohe Aufgabe der Menschenseele, 
wodurch sie sich besonders von der Seele niederer 
Kreaturen unterscheidet, denen nicht nachzuweisen ist, 
dass sie irgendwelche Fähigkeit zur Betrachtung über- 
haupt besitzen, sondern nur eine rastlose Lebendig- 
keit der Wahrnehmung. 
Für echte Geschmacksbildung ist ein geduldiges Tem- 
perament von nöten, das bei allem, was ihm vorkommt, 
verweilt, nichts zertritt, selbst wenn es Trebern 
gleicht, denn es könnten ja Perlen sein. Ein Tem- 
perament wie gutes Land; weich, eindrucks- und auf- 
nahmefähig. Es trägt nicht Dornen unfreundlicher 
Gedanken, die zarten Samen ersticken müssten; es 
ist hungrig und durstig, trinkt allen Tau, der herab- 
fällt. Wie „ein feines gutes Herz", das sich nicht 
zu schnell erschließt, ehe die Sonne aufgegangen, 
aber dann auch nichts schuldig bleibt. Es misstraut 
sich, und ist bereit, alle Dinge zu prüfen und zu
	        
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