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der Schönheitssinn zum Diener der Lust herabsinkt.
Auch ist das, was die Welt gewöhnlich unter Ge-
schmacksbildung versteht, nichts anderes oder bes-
seres. Wenigstens in Zeiten korrumpierter, über-
feinerter Kultur, in der die Menschen Paläste bauen,
Lusthaine pflanzen und Luxus aufhäufen; sich und
ihre Anschläge in die Ecken der Welt hängen, wie
feine Spinnweben, mit aufgeblasenen, gierigen, spin-
nenhaften Lüsten darin. Dies, was in christlichen
Zeiten zum Verderb und Missbrauch des Schönheits-
sinnes wird, war in jenen heidnischen Zeiten, von
denen der Apostel spricht, nicht weniger als ihr We-
sen, und das Beste, was sie besaßen. Ich kenne
keine Ausdrücke der Liebe zur Natur bei heidnischen
Schriftstellern, deren leitende Gedanken nicht auf
ihre sinnliche Seite Bezug nähmen. Sie begehrten
ihre Wohltaten und fürchteten ihre Gewalt. Ihre Leh-
ren haben sie niemals begriffen. Die linden Wirkun-
gen sanfter Winde, gewundener Ströme und schattiger
Abhänge, der Veilchenbeete und Platanenschatten,
genossen sie vielleicht in vornehmerer Weise als wir.
Aber die kahlen Berge und gespenstischen Schluchten
flößten ihnen nur Schrecken ein. Die Hybla Heide
liebten sie weniger ihres süßen Honigs, als ihrer
Purpurfarbe wegen. Aber die christliche „Betrach-
tung" sucht nicht das, was der Epikuräer suchte,
obwohl sie es ihrer eigenen Reinheit verschmilzt.
Denn sie findet überall Nahrung und überall etwas
zu lieben. In dem Herben und Furchtbaren wie in