den geblasen, könnte nicht die Ecken eines,
nur einen Zoll dicken Baumes gerade biegen.
Es ist schwierig, dem kleinsten Reis die Ecken aus-
zubiegen, und unmöglich bei einem starken Zweige.
Und wer einen Baum im heftigsten Sturm beobachtet,
sieht, wie all seine Zweige sich beugen ohne ihren
Charakter zu verlieren. G. Poussin aber macht nicht
den Sturm stark, sondern den Baum schwach . . .
Diese Gesetze sind so viel imperativer als die, die
ich über das Wasser aufgestellt habe, dass der größte
Künstler sie nicht ohne Gefahr übertritt, weil sie der
organischen Struktur entstammen, deren Aufhebung
peinlich wirkt . . . . Und doch ist das geübte Auge
und das Leben in den Wäldern mehr wert als alle
botanischen Kenntnisse. Denn es ist etwas in dem
Wachstum eines Baumstammes und der Anmut seiner
oberen Verzweigungen, was nicht gelehrt werden kann
und sich nur treuer Wachsamkeit offenbart. In jeder
Ausstellung sieht man hunderte von fleißigen Bildern,
viele nach der Natur gezeichnet. Seit dreihundert
Jahren haben aber die kultivierten Völker Europas
Bäume gemalt, und dennoch behaupte ich kühnlich,
dass nur Tizian und Turner jemals einen Baumstamm
wiedergegeben haben.
Die Wahrnehmung der Muskeln des Baumstammes
ist unvollkommen bei allen Malern, die nicht die
menschliche Gestalt studiert haben. Wer mensch-
liche Muskeln malen kann, wird auch äußerlich die
Baummuskulatur treffen; aber nur geduldige Wald-