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nähme, ohne nur einen abgebrochenen Zweig zu
sehen, ohne einen rauhen, verknoteten Anhaltspunkt
zu gewahren. Die unglücklichen Blätter müssen
selbst sehen, wie sie sich festhalten. Aber die Blätter
sind klug und tragen sich gegenseitig wie ein Bienen-
schwarm: eins hängt sich an das andere . . . Die
alten Meister begnügen sich aber nicht mit Rüben
statt der Zweige. Die Natur lässt sich in mehr als
einer Weise vergewaltigen, und der Eifer, mit dem
sie jede Möglichkeit erspähen, ihr zu widersprechen,
ist interessant genug . . . Poussins ,Landschaft im
Sturmi in der National Gallery stellt uns im Vorder-
grund einen Baum dar von einer Scheußlichkeit, die
alle Irrtümer der alten Schule demonstriert.
Der Ton und vieles sonst in dem Bilde ist meister-
haft gehandhabt, aber dieser Baum enthält jede denk-
bare Verdrehung der Wahrheit, die die menschliche
Hand begehen kann. Er hat keine Rinde, keine Rauheit,
kein Charakteristikum des Stammes. Seine Zweige
wachsen
nicht einer
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dem andern
heraus,
sondern
sind in einander gesteckt; sie verzweigen sich ohne
abzunehmen, nehmen ab ohne sich zu verzweigen,
enden ohne kleine Schößlinge und ihre Blätter sind
zusammengebunden wie holländische Besen; schließ-
lich und hauptsächlich bestehen sie nicht aus Holz,
vielmehr aus einer zarten, elastischen Substanz, die
der Wind nach Belieben ausrecken kann, denn es
ist nicht die leiseste Ahnung einer Biegung vorhan-
den. Aber der heftigste Wind, der je auf Er-