137
nicht die Wahrheit darstellen, können sie unmöglich
dazu befähigt sein.
Ein Gesetz nun gilt von allen (europäischen) Bäumen:
weder der Stamm noch die Zweige laufen oben spitz
aus, sofern sie sich nicht gabeln. Wo der Stamm
einen Zweig ansetzt oder ein Zweig einen kleineren,
oder dieser eine Knospe, verringert sich sofort sein
Umfang genau um soviel, wie er dem neuen Zweige
abgegeben hat, und er behält diesen Umfang, bis er
einen neuen Zweig ansetzt. Das ist ein imperatives
Gesetz und gilt ohne Ausnahme. Da aber die Stämme
der meisten Bäume Zweige und Reiser leichten Unter-
holzes aussenden . . . entsteht leicht der Eindruck,
als
ob
der
Stamm
selber
sich
nach
oben
zuspitzte.
Fast alle Bäume treiben mehr Holz aus ihren jungen
Gliedern, als sie tragen können, es bricht ab und
hinterlässt kleine Knoten, die diesen Eindruck her-
vorbringen . . . . Daher sehen wir sofort, dass der
Stamm von Gaspard Poussins großem Baum zur Rech-
ten von La Riccia in der National Gallery eine gelbe
Rübe, aber keinen Baumstamm darstellt. Da er so
nah ist, dass jedes Blatt erkennbar, würden wir in der
Natur keinen seiner Zweige sich zuspitzen sehen.
Wir hätten nur die Impression anmutiger Vermin-
derung gehabt, wären aber im stande, sie Punkt für
Punkt zu verfolgen und nachzuweisen bis in das
tausendste Glied. Poussins Stamm dagegen setzt
nur vier oder fünf kleine Zweige an, und alles spitzt
sich
heftig
ohne
dass
man
die
Ursache
wahrg;