IX
zipiert hat. Seine Vorliebe für die Gotik beruht nicht
zum wenigsten auf dieser ihr besonderen Qualität,
im Gegensatz zur Architektur der Renaissance, die
in einförmiger Vollendung dieselben Muster wieder-
holt.
Der erste Band behandelt Naturalismus und Symbo-
lismus nur als verschiedene Seiten desselben Vor-
stellungsgebietes dem der Wahrheit. An Natur-
schilderungen von einem Nuancenreichtum ohne
gleichen, wird dem Laien das künstlerische Sehen
begreiflich gemacht und die technischen Qualitäten
der Malerei erhellt als Voraussetzungen des Kunst-
werks. Obwohl er diese Notwendigkeiten so beredt
entwickelt wie ein Malerdes Naturalismus, bleibt er
nicht stehen bei der Kunst um der Kunst willen.
Die Technik und ihre Vollendung ist ihm doch nur
Vorbedingung für eine schöpferische Kunst der Fan-
tasie. Zweck dieser höchsten Kunst ist ihm aber
zugleich, den Menschen seiner höchsten Bestimmung
entgegenzuführen: im Anschauen und Genießen ihrer
höchsten Offenbarungen von dem Zweckemplinden
persönlicher Begrenzung frei, und Gottes Wesen teil-
haft zu werden.
Davon handelt der zweite Band.
Die Intuition der schöpferischen Fantasie zur höch-
sten Gestaltung zu bilden, ist nur dem großen Künst-
ler gegeben. Ihr kommt die Fähigkeit des Menschen
zur ästhetischen Betrachtung entgegen. Die Kon-
templation oder Theoria der Griechen ist Ruskin das-
selbe, was Kant Anschauung genannt hat. Der erste
Abschnitt des zweiten Bandes ist der Versuch, die