106
von Wenigen geschaut werden, aber der Himmel wölbt
sich über Allen. . . . All sein Tun tröstet und er-
hebt das Herz, beruhigt es, reinigt es von Staub und
Schlacken. Milde, kapriziös, schauerlich, nie gleich;
fast menschlich in seinen Leidenschaften, fast geistig
in seiner Zartheit, fast göttlich in seiner Unendlich-
keit ruft er das Unsterbliche in uns so deutlich
auf, wie er das wesentlich Sterbliche in uns straft
und segnet. Und doch achten wir nicht darauf, wir
denken daran nur, soweit unsere animalischen Em-
pfindungen in Frage kommen. Wir betrachten alles,
wodurch er deutlicher zu uns redet als zu den Tieren,
alles, was die Absicht des Allerhöchsten bezeugt, dass
wir mehr empfangen sollen von dem Gewölbe über
uns als das Licht und den Tau, den wir mit dem
Kraut und dem Gewürm teilen, nur als eine Folge
bedeutungsloser, einförmiger Zufälle, zu alltäglich
und vergänglich, um uns nur einen Moment der Be-
obachtung und einen Blick der Bewunderung zu ent-
locken.
Wenn wir in Augenblicken der Trägheit und Torheit
gen Himmel blicken als letzter Ressource, dann sagen
wir nur, es ist nass oder windig oder warm. Wer
aus der großen schwatzenden Menge kann mir die
Formen und die Abgründe der weißen Gebirgskette
beschreiben, die gestern Nachmittag den Horizont
umgürtete? Wer hat den feinen Sonnenstrahl er-
blickt, der von Süden kam und auf ihren Gipfeln
brannte, bis sie in blauem Regenstaub dahin-