90
dass wir sie nur an ihrer entschiedenen Form er-
kennen und nicht an ihrem Dunkel. Einen nach
dem andern breitet er sie wie durchsichtige Schleier
über die Erde und über die Lüfte, bis das ganze
Bild davon erzittert, und doch ist ihr tiefster Schatten
nur mattgrau und von Licht durchtränkt und erfüllt.
Worte sind nicht deutlich, nicht zart genug, um den
allesdurchdringenden Einfluss der schöneren, un-
bestimmteren Schatten in allen Werken Turners
wiederzugeben; jenes I-lindurchzittern, das dem Licht ,
daneben seine Leidenschaft und Kraft verleiht. Nicht
ein Stein, Blatt oder Wolke, über die nicht das hin
und her flutende Licht uns fühlbar würde. Die Be-
wegung, das Wogen und Flimmern des abgeschnellten
Sonnenstrahls; nicht das stumpfe, allgemeine Tages-
licht, das auf eine leblose Landschaft fällt ohne Di-
rektive, ohne Überlegung, überall gleich und überall
tot. Sondern das atmende, beseelte, frohlockende
Licht, das fühlt und empfängt, sich freut und handelt;
ein Ding festhält iund ein anderes verwirft; jenes
sucht, findet und wieder verliert von Fels zu
Fels eilt, von Blatt zu Blatt, von Woge zu Woge
glühend, aufblitzend, zündend, je nach dem Objekt,
das es streift. Oder als Stimmung alles mit be-
seligender Ruhe erfüllend; dann wieder sich ver-
lierend in Irrtum, Zweifel und Unfassbarkeit; ver-
gehend, dahinschwindend, in wogenden Nebel ver-
flechten, zerschmelzend in schwermütiger Luft. Aber
stets entflammend oder erlöschend, funkelnd oder