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monoton durch falsche, absurde Farben gewirkt. Turner
allein vermag das Ungewisse darzustellen; das be-
ständig pulsierende Weben der Natur, wo alles sich
einem ausschlaggebenden Einfluss unterordnet, ohne
sich darin zu verlieren oder darin unterzugehen; wo
die Einheit der Vorgänge Ausdruck der Unendlichkeit
ihres Urhebers ist. Keiner ihrer Schatten, Tinten
oder Linien, die nicht beständig wechselten; nicht
der Zeit nach, sondern im Raum. In der ganzen
Welt ist kein Blatt, dessen Oberfläche dieselbe Farbe
trüge; irgendwo zittert ein weißes Licht, und je
nachdem es sich von hier aus hinauf oder hinab
biegt, ist seine Farbe heller oder grauer. Lies einen
gewöhnlichen Kieselstein vom Wege auf, und wenn
du kannst, zähle die Wechsel und Stufen seiner
Farbe. Jeder Teil nackten Bodens unter deinen
Füßen hat deren tausende. Die grauen Kiesel, der
warme Acker, das Grün der sprossenden Pflanzen,
das Grau und Schwarz ihrer Reflexe und Schatten
könnten einen Maler wochenlang in Anspruch nehmen,
wenn er allem einzeln folgen müsste. Um so mehr,
wenn derselbe unendliche Wechsel sich auf die Weite
der Objekte und des Raumes erstreckt. Die weite
Ferne erscheint vielleicht anfangs monoton, allmählich
tut sich aber auch hier derselbe Reichtum an Wechsel
auf.
Wo wir daher in einem Gemälde einen unveränderten
Farbenton auf einem kleinen Raum sehen, beruht er
auf Falschheit. Nichts in der Natur kann monoton