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Chaldäa, Babylonien und Assyrien.
Materials zur Herstellung gewaltiger und unvergänglicher Werke selbst
aufzufordern scheinen. Die mesopotamische Ebene dagegen dehnt sich
in unabsehbarer Breite noch über die beiden Ströme, zum Theil ganz
ohne felsige Erhebung sich in der Wüste verlierend, anderntheils auch
in den fernen Gebirgen kein Bruchsteinmaterial darbietend, welches sich
mit dem Aegyptens hätte messen können. Brauchbaren Thon zur Her-
stellung von Ziegeln lieferte zwar der Boden in Fülle, dafür aber gebrach
es wieder an ausreichendem F euerungsmaterial, um dem Backstein
durchgängig durch Brennen die Dauer des Bruchsteins zu verleihen. Man
musste sich in der Regel begnügen, die Ziegel an der Sonne zu trocknen
und durch Massenhaftigkeit zu ersetzen, was dem Materiale an Dauer-
haftigkeit fehlte, höchstens aber die massiven Mauern aussen mit ge-
brannten Ziegeln ganz zu verkleiden oder in einzelnen regelmässig wie-
derkehrenden Lagen zu durchziehen oder durch lisenenartige Streben
aus gebranntem Materiale mehr zu solidiren. Ausserdem stand in dem
Bitumen (Erdharz), das noch jetzt bei Hit am Euphrat, nördlich von
Bagdad am südlichen Ende der höheren Alluvionsterrasse Assyriens
iliesst, ein vortreffliches Bindemittel zu Gebote, welches mit Kalkmörtel
abwechselnd bei monumentalen Werken gebraucht wurde, während
man bei gewöhnlichen Bauten oder im Inneren der massiven Mauern
sich mit Thon, nach Art unsers Ofenkitts mit Spreu geknetet als Mör-
tel bediente und manchmal eine Lage Schilfrohr hineinbettete, die wohl
den Zweck hatte, die Austrocknung der Mauermassen zu erleichtern.
Dass von solchen Werken sich wenig erhalten konnte, ist selbst-
verständlich. Nur wenn ungeheure Mauerstärke sie wenigstens in ihrem
Kerne unverwüstlich machte, oder frühzeitig der Schutt der Zerstörung
benachbarter Gebäude sie selbst schützend deckte, konnten sie die jahr-
tausende überdauern. Darum sind auch die Reste von Altchaldäa in
der Regel höchst unförmliche Schutthügel, welche indess noch keines-
wegs alle untersucht sind. Doch ist es den verdienstvollen Forschern
Taylor und Loftus nach dem Vorgange von Ainsworth, Chesney und
Layard gelungen, in den jahren 1854 und 1855 über dreissig Städte-
ruinen in der unteren Hälfte des mesopotamischen Tieflandes aufzu-
Hnden, von welchen Mugeir (das alte Ur), Warka (Erech) und Abu
Schereyn die bedeutendste Wissenschaftliche Ausbeute mit dem Stem-
pel des höchsten Alterthums lieferten, während Niffer, Sura, Tel Sifr,
Kalwadha und Akkerkuf in ihren Ruinen wohl grösstentheils der neu-
chaldäischen Periode. angehören.
Unter den Ruinen von Mugeir beündet sich ein aus den Resten
eines Terrassenbaus gebildeter Schuttberg (F ig. 33). Er besteht aus zwei