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Aegypten.
zu Tage treten. Wir können, wie Brunn treffend bemerkt, ganze Reihen
ägyptischer Sculpturen be'sehen, ohne dass die Frage nach dem Künst-
ler des einen oder anderen Werkes in uns auftauchte, ohne dass eines
sich über die Masse erhöbe und über fabrikmässige Gattungsarbeit
hinausginge. Wie sich eben der Künstler selbst fühlte, so wurde seine
Leistung, ein tüchtiges Glied einer monotonen Kette.
Die Statue gab sonach auch lediglich einen Menschen schlechthin,
doch nicht ein absolutes Ideal, das es ja ohnehin eigentlich nicht gibt,
sondern ein ägyptisches: der Racentypus des Nillandes tritt uns wohl-
verstanden entgegen. Sobald jedoch die Kunst einmal die normale Er-
scheinung erfasst hatte, blieb sie bei dem Errungenen stehen. Die
grosse Mannigfaltigkeit sowohl in der Wirklichkeit wie bei Götterbildern
in der Vorstellung ihrer Wesenheit berührte den Künstler nicht, der nur
durch Attribute unterschied, was dem Wesen nach zu unterscheiden ge-
wesen wäre, und darauf verzichtete, die eigenartige Einwirkung des
Innern auf das Aeussere anzudeuten und dadurch dem Bildwerke erhöhte
Bedeutung zu geben.
Es ist also die Schilderung einiger Werke so viel wie die Betrach-
tung der ganzen Kunst, da sie sich nicht blos stets desselben Schema's
für die Körperformen bediente, sondern auch in Bezug auf Stellung und
Bewegung nur in zwei Typen wechselte. Die Rundbilder sind nemlich
mit wenigen Ausnahmen entweder sitzend dargestellt, oder in einer
Haltung, die zwischen Stehen und Schreiten in der Mitte liegt, d. h.
schreitend deshalb nicht genannt werden kann, weil die Füsse nicht ge-
nug abstehen, die beiden Sohlen flach auf dem Boden ruhen, und
das Schwergewicht des Körpers zwischen die beiden Beine, ja sogar
mehr auf das zurückstehende fallt. Den Eindruck der Bewegung aber
erhalten wir nur dann, wenn der Körper, die Mittellinie zwischen seinen
beiden Stützen überschreitend, den grössten Theil der ganzen Schwere
auf das vorgesetzte Bein legt, und so das zurückstehende entlastet, wel-
ches selbst durch Hebung der Ferse nur mehr mit der Spitze des F usses
den Boden berührt und so in Bereitschaft erscheint, augenblicks ver-
setzt zu werden. Bei sitzenden wie bei stehenden Figuren sind die
Arme eng an den Körper angeschmiegt, bei den ersteren gebogen und
mit den Hachen Händen auf den Schenkeln ruhend, bei den letzteren
entweder gerade und etwas starr herabhangend, meist mit den sog.
Nilkreuzen in den Fäusten, oder auf der Brust gekreuzt und mit den
Händen Attribute, gewöhnlich Krummstab und Pflug oder Geissel an
sich haltend, mithin in jedem Falle alle Handlung ausschliessend.
Untersuchen wir aber die Körperbildung im Einzelnen. so ergeben