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Rom.
Fanden wir in der römischen Architektur grossartiges Verständniss
ihrer raumschaffenden Aufgabe, hohe technische Vollkommenheit in
selbständiger Entwicklung, und musterhafte Zweckmässigkeit, so tritt
uns die römische Plastik, wenn auch in ausgedehntester Anwendung,
so doch nur in geringer Selbständigkeit und Bedeutung entgegen. Von
Haus aus zu praktisch, um sofort dem Schönen neben dem Nützlichen
einen Platz einzuräumen, verstattete der Römer der Plastik erst ent-
schiedenen Eingang, als die politische Entwicklung der Welthauptstadt
bereits ihren Höhepunkt erreicht hatte und auch da noch überliess er
die Pflege der Bildnerei vorzugsweise den in seinem Solcle stehenden
Künstlern der Nachbarvölker. In der früheren republicanischen Zeit
war die Uebung dieser Kunst kaum nennenswerth; in der Königszeit
aber, oder wenigstens bis zum Jahre 170 d. St. scheint Bildneriscl1es
in Rom noch gar nicht oder nur in Geräthverzierungen der Art, wie sie
die Cista praenestina (M. d. I. 1866. tav. 26. Brunn) mit ihren phöni-
kisch-etrurischen aufgenieteten Thierfiguren und Palmettenornamenten
darbietet, existirt zu haben. Dürfen wir jedoch bei letzteren eher Import
von Etrurien und den benachbarten griechischen wie phönikischen Co-
lonien, denn eigenes Fabrikat voraussetzen, so wird uns hinsichtlich der
statuarischen Bildnerei geradezu bezeugt, dass die Römer in dieser Zeit
der Götterbilder gänzlich entbehrten (Varro)
Das erste statuarische Werk, das Rom gesehen zu haben scheint,
war auch die Schöpfung eines Etruskers, des Volcanius oder Volca(s)
aus Veii, nemlich der von Tarquinius Priscus bestellte kolossale auf einem
Thron sitzende Jupiter im capitolinischen Tempel. Aus Thon gebildet,
das Gesicht roth gefärbt und einen wahrscheinlich ursprünglich bron-
zenen, später goldenen Eichenkranz im Haare tragend, scheint er ausser
dem Haupte wenig durchgebildet gewesen zu sein, denn er war in ein
wirkliches gesticktes Gewand gehüllt. Demselben Künstler wird auch
ein Herakles in und die Giebelquaclriga auf dem gleichen Tempel zu-
geschrieben, beide in Thon, letztere 296 v. Chr. durch eine bronzene,
neunzig ]ahre später vergoldete, ersetzt.
Schon in den ersten Anfangen aber sollten sich, das Wesen der
römischen Plastik von vorne herein kennzeichnend, neben den etruri-
sehen auch griechische Einflüsse geltend machen. Denn das Götterbild
in dem von Servius Tullius auf dem Aventin erbauten Dianentempel
war ein Xoanon (Holzschnitzbild), einer Artemis der Massalioten (Pho-
käer) nach Art der ephesischen nachgebildet, sonach noch unentwickelt
und im besten Falle diidalisch. Konnte diess noch kaum mit den Wer-
ken des veientischen Künstlers concurriren, so erlangte zwei Menschen-