Architektur
Der römische Tempel.
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die Säulen in der Regel auf die in namhafter Tiefe hergestellte Vorhalle
beschränkt blieben, wie diess am Forum Romanum vier Tempel noch
jetzt in ihren Ruinen zeigen. Der sich so entwickelnde römische Pro-
stylos, wie Vitruv diese Tempelart nennt, ist daher als das erste Corn-
promiss zu betrachten, durch welches sich die altitalische Tempeldispo-
sition mit der hellenischen abgefunden hatte, als das Product der Ver-
bindung tuscischer und hellenischer Planforinen.
Zunächst scheint dabei auch noch die italische Eigenthümlichlteit
wo möglich beibehalten worden zu sein, die Linentwickelte Rückseite
an die Temenosumfriedung oder an eine Felsenwand anzulehnen, wo-
durch sich das altitalische Tempelhaus fernerhin von dem ganz freiste-
henden griechischen unterschied. Doch mochte diess nicht immer mög-
lich erscheinen, in welchem Falle dann, seit man den hellenischen Pe-
ripteros kannte und zu vergleichen Gelegenheit hatte, die kahlen Isang-
seiten mit der Rückseite unangenehm berühren mussten. Wenn man
sich daher auch noch manchmal selbst in der Kaiserzeit (Faustinatempel
am Forum) begnügte, höchstens die Ecken durch Pilaster zu markiren,
so geschah dieses doch nur dann, wenn ein Tempel so eng zwischen
anderen Gebäuden stand, dass ausser der Fagade wenig zur Geltung
kommen konnte. Bei freier stehenden T empelbauten suchte man der
nicht übersehbaren Wirkung des Peripteros dadurch einigermassen nahe
zu kommen, dass man die Säulen der Vorhalle an den Cellenwanden
ringsum als Halbsäulen fortsetzte und erreichte mit einem solchen Pro-
stylos pseu doperipteros die höchste Stufe speciell römischer
Tempelbildung. Dass man in späterer Zeit auch reine Peripteraltempel
herstellte, oder kleinere Cultstätten älteren Datums durch Umlegung
eines Peripteralmantels vergrösserte, ist natürlich; immer aber blieben
zwei wesentliche Eigenthümlichkeiten: eine tiefe Vorhalle und eine
möglichst geräumige saal- und nicht corridorartige Cella, deren Dispo-
sitionen sich der Säulenkranz anbequemen musste, statt selbst wie zu-
meist an den hellenischen und namentlich sicilischcn Bauten das Herr-
schende zu sein, dem die Dimensionen der Cella untergeordnet wurden.
Denn ein Grundunterschied der architektonischen Thatigkeit der Grie-
chen und Römer war und blieb der, dass die ersteren, denen es vor-
wiegend um die vollendete äussere Erscheinung, mithin auch im Bauen
vor Allem um die Kunst zu thun war, Monumente; die Römer da-
gegen, denen der Zweck als die Hauptsache, das Technische als das
Zweite und das Künstlerische erst als das Dritte erschien, Raume
schaffen wollten.
Betrachten wir nun das bei den Römern rein decorativ auftretende