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Etrurien.
welche jedoch ohne organischen Zusammenhang, ohne Innerlichkeit
und ohne Entwicklung aus sich selbst lediglich als eine äusserc Zuthat
und als ein täuschencler Firniss auftreten. Das Hcllcnische ist dabei
rein äusserliche Etikette, die bekanntlich auch auf einem Fabrikate an-
gebracht sein kann, welches dieser nicht entspricht. Drei in weichem
Gestein und in Alabaster hergestellte Sarkophagdeckel, der eine (lVI. d.
I. IV. tav. 60. Brunn), eine liegende Porträtstatue mit fünf Figuren zu
Häupten und zu Füssen, statuarisch gebildet (Fig. 213), während die
beiden anderen von Vulci (VIII. tav. 19. 20. Brunn), Gattenpaare auf
dem Ehebett darstellend, in Hochrelief gearbeitet sind, repräsentiren
diese Periode am deutlichsten. Die Porträtartigkeit der Hauptfiguren
beschränkt sich dabei keineswegs auf die Köpfe, indem abgesehen von
dem gewählten der rein menschlichen Sphäre angehörigen Gegenstande
namentlich in den Ehepaaren auch die übrigen nackten Körpertheile,
Stellung und Geberde augenscheinlich einem lebenden Modelle entnom-
men sind. Nebenfiguren und das Stoffliche aber zeigen bereits ent-
schieden griechischen Einfluss, und contrastiren mit dem Realismus der
ersteren in der empfindlichsten Weise. Es fehlt der organische Zusam-
menhang, dieStyleinheit, und dieser Mangel lässt es sogar beklagen,
dass griechische Formen und Vorbilder in Etrurien Eingang gefunden,
welche die einheimische Richtung auf das Realistische in ihrer Entwick-
lung hemmten und zerrissen, ohne für deren aufgeopferte Originalität
durch einen dem Wesen nach unverstandencn und rein äusserlich ge-
bliebenen hellenischen Formalismus zu entschädigen.
Noch auffälliger tritt uns diess Verhältniss in den Reliefs der beiden
vulcentischen Sarkophage, deren Deckel eben besprochen wurden, ent-
gegen. Der eine zeigt nemlich einen Hochzeitszug in der Fronte, und
zwei Bigen an den Sehmalseiten, von Welchen die eine von Maulthiercn
gezogen die Todtenfahrt des unter einem Sonnenschirm auf dem Wagen
sitzenden Ehepaares darstellt. Arrangement und Drapirung erinnern an
griechische Sculpturen, die Köpfe aber, vorzugsweise die des Ehepaares
sind Porträts, wie überhaupt noch ein Zug von realistischer Derbheit
an allem Nackten erscheint. Auch gegenständlich macht sich, wie
Brunn bemerkt, die realistische Richtung geltend: während die Griechen
eine mythologische Hochzeit, wie die des Herakles, Peleus oder Kad-
mos als Symbol wählten, die Römer aber das Brautpaar in mehr theo-
logischer als mythologischer Auffassung durch Victoria, juno, Venus
und die Grazien im Gefolge auszuzeichnen liebten, gibt der Etrusker die
Hochzeit in vollkommen irdischer Behandlung, nemlich das sich das
Eheversprechen gebende Paar gefolgt von Dienern und Dienerinnen mit