Volltext: Kunstgeschichte des Alterthums

Plastik. 
Periode der Selbständigkeit. 
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scharf individualisirt und an Porträtbildung streifend denken. Als ältester 
Beleg für die porträtaitige Kopf behandlung ist wohl die in der Grotta dell" 
Iside zu Vulci gefundene Büste zu betrachten (F ig. 210), welche zugleich 
zeigt, dass die Keime zu jener specifisch etruskisehen Richtung, welche 
in dem Erfassen des Individuellen bei Vernachlässigung des Allgemei- 
nen beruht, bis in die Periode der Abhängigkeit von orientalischen Ein- 
flüssen hinaufreicht. Diese charakteristisch etruskische Kopfbildung zei- 
gen, wenn auch in handwerklich flüchtiger und unkünstlerischer Be- 
handlung, in gleicher Weise die chiusinischen sog. Canopi, Krüge mit 
POYiIFÄtkÖPfCH als Deckel, welche entfernt an ägyptische Töpfe der Art 
erinnern, aber gerade in den Köpfen, die bei aller Rohheit, übermiissig 
scharfer und trockener Behandlung und groben Verzeichnung des rund- 
lichen Schädels mit niedriger zurückweichender Stirne zwar nicht ohne 
Naturwahrheit, aber ohne alles stylistische Verständniss sind, von dem 
EinHusse der frühzeitig stylisirenden und idealisirenden Plastik der Grie- 
chen kaum eine Spur verrathen. 
Dieser Einfluss macht sich erst, wenn auch von den einheimischen 
individualisirenden und realistischen Elementen noch immer weit über- 
wogen, mehr an einem etwas jüngeren Sarkophage aus gebranntem 
Thon geltend, der in Caere gefunden jetzt als eines der Hauptstücke der 
Campanasammlung sich im Musee Napoleon III des Louvre befindet (Fig. 
21 r). Der Sarg selbst stellt in sorgfältiger Nachbildung des tektonischen 
und ornamentalen Details, das wieder ganz dasselbe ist, wie an den 
Mobilien assyrischer, xanthischer und altgriechischer Reliefs und nament- 
lich älterer griechischer Vasenbilder, ein Ruhebett dar, über welches ein 
an beiden Enden überhangendes Lacken gezogen ist. Ein darauflie- 
gendes und mit dem linken Ellenbogen auf Lederkissen gestütztes Ehe- 
paar, lebensgross dargestellt, bildet den Deckel. Wenn nun diese 
.Grtlppe beim ersten Anblick den Eindruck des Schreckens hervorzu- 
bringen pflegt, welchen auch die fratzenhaftesten Verzerrungen einer 
primitiven Kunst niemals bewirken, so liegt der Grund hievon in der 
nüchtern realistischen Natürlichkeit, welche uns trotz mancher Gebre- 
chen im Einzelnen, noch gesteigert durch die Farbe, entgegentritt, in 
dem leibhaften Conterfei ohne verbessernde Zuthat des Künstlers, welcher 
vielmehr ohne jenen, den Griechen angebornen idealisirenden Schön- 
heitssinn das Beste zu thun wähnte, wenn er, soweit seine Kräfte reich- 
ten, das lebende Modell wiederzugeben suchte, endlich in dem Mangel 
jenes wahrhaft künstlerischen Arrangements, das an die Stelle einer zu- 
fälligen bequemen Lage eine gewähltere setzt. Eher geneigt zu earikiren, 
d. h. das Individuelle, Charakteristische zu übertreiben, als idealisirend
	        
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