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Hellas.
jeder Figur eine von den genannten Eigenschaften ausgeprägt war.
Von grosser psychologischer Bedeutung muss das den erheuchelten
Wahnsinn des Odysseus darstellende Gemälde gewesen sein, wie auch
Prometheus, Philoktet auf Lemnos, oder Telephos. Wie aber schon da-
durch Parrhasios sich über Zeuxis stellte, so geschah diess nicht minder
durch die correctere sorgfältige Zeichnung und durch die technischen
Fortschritte in der Kunst, worauf doch auch bei ihm das Schwergewicht
lag. In dieser Beziehung berichtet Pliniils dem Sinne nach ungefähr
also: "Nach dem Urtheile der Künstler leistete Parrhasios das Höchste
in der Figurenbegränzung. Es ist nenllich sonst selten gelungen die
Körperränder der wirklichen Erscheinung entsprechend zu bilden und
auslaufen zu lassen; denn das Farbenende am Contour muss sich ab-
runden und so verlaufen, dass es auch die weitere Formbildung rück-
wärts ahnen und auch auf das Nichtmehrsichtbzlre schliessen lässt." Ich
fasse demnach die Sache so, dass mit ihm die Illusionswirkung vom
Reliefartigen bis zum Runden sich steigerte, wodurch erst die Gestalten
vom Grunde sich ablösen, und dass er die Unterschiede sich klar machte,
welche z. B. dem Beschauer an einer Kugel, von der doch auch nur
eine Hemisphäre gesehen werden kann und an einer Halbkugel entge-
gentreten. Dadurch erst wurde, von der, wie wir bei Euphranor sehen
werden, noch keineswegs untadelhaften Farbe des Parrhasios wenig be-
einträchtigt, die Illusion eine vollkommenere, weil erst dadurch Bewe-
gungsfahigkeit in die vheraustretendena Gestalten kam. Des Zeuxis
Trauben bedurften dieser Bewegungsfähigkeit nicht, um die Vögel an-
zulocken, während ihrer der dazu gemalte Knabe bedurft hätte, um die
Vögel abzuschrecken. Diese Bewegungsfähigkeit durch den Schein des
Runden und des vom Grunde sich Ablösens besass aber des Parrhasios
Vorhang und konnte daher selbst den Künstler (Zeuxis) tauschen, der
ihn als einen vermeintlich wirklichen von der Tafel wegzuziehen im Be-
griffe stand.
Wenn sich sogar der stolze Rivale Zeuxis vor diesem Argument
gebeugt haben soll, so kann es uns nicht befremden, dass ein solcher
Erfolg den Parrhasios hinriss, seinen besiegten Rivalen auch an Ueber-
muth überbieten zu wollen, der endlich so weit ging, dass er sich ausser
andern Thorheiten für einen Sprössling des Apollo erklärte und als
König der Kunst ein Diadem mit goldenem Kranz nebst dem Purpur-
mantel trug, freilich nicht ohne durch den Beinamen Habrodiaitos (der
Hochlebende), welchen er sich zulegte, den Spottnamen Rhabclodiaitos
(Pinselrnann) zu ernten.
Auch
Parrhasios
wurde
VOIl
einem
Zeitgenossen
Jüngeren
über