Volltext: Kunstgeschichte des Alterthums

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Hellas. 
Aristoteles mit den Worten ausdrückt, dass den Werken des Zeuxis 
das Ethos mangle. Das Streben nach Illusion, nach dem Schein der 
realen Wirklichkeit, verdrängte das innerlich Wesentliche, Bleibende, 
und stellte die äussere Erscheinung und das Momentane in den Vorder_ 
grund. Dagegen scheint Penelope zu sprechen; doch wissen wir nicht, 
in welcher Situation sie dargestellt war, während das Weinen des Me- 
nelaos gewiss nicht dessen Charakter gibt, so wenig wie das neckische 
Spiel der Kentauren mit ihren Jungen, welches Lukian so herrlich schil- 
dert, das mythologische Wesen dieser Monstra darstellt. Noch weniger 
aber können wir die Helena des Zeuxis in ihrer Auffassung mit den 
Frauengestalten aus der polygnotischen Einnahme Ilions auf eine Linie 
stellen, da wir Wissen, dass Zeuxis sich zu deren Herstellung die- schön- 
sten Jungfrauen Krotons als Modelle bedungen, also wohl zunächst die 
vollendete äussere Frauenschönheit in ihrer Naturwahrheit anstrebte, 
nicht aber jene grossartige Tiefe wie sie sich in dem Stirnrand der po- 
lygnotischen Kassandra oder in dem Blick der Polyxena ausgesprochen. 
haben soll. 
Wenn aber auch Zeuxis zuweilen einen höheren Flug nahm, so 
unterschied er sich doch im Allgemeinen von dem epischen Charakter 
des Polygnot durch seine Richtung auf dramatischen Effect, welcher 
seiner Natur nach zunächst ein momentaner ist. Diess beweist z. B. das 
gerühmte Mienenspiel der Kentaurenfamilie, das Weinen des Menelaos, 
das Entsetzen der Alkmene und des Amphitryon beim Anblick des mit 
den Schlangen ringenden kleinen Herakles, und der handelnden wie zu- 
sehenden Personen in dem Gemälde der Marsyasbestrafung, lauter See- 
nen, wie sie mit geringen Moclilicationen auf die Bühne versetzt von 
dramatischer Wirkung sein müssten. Es handelt sich aber bei Zeuxis 
weiterhin im Gegensatz zu Polygnot weniger um den Gegenstand wie 
um die A11: der Darstellung, weniger um das Was als um das Wie, kurz 
weniger um die Composition, an welcher ihm die Eigenschaft des Ma-  
lerischen genügte, als um das Malen. Der Meister selbst war darüber är- 
gerlich, wenn der Beschauer seiner Kentaurenfamilie über der Neuheit 
des Gegenstandes die technische Ausführung übersah. Es ist demnach 
wörtlich richtig, wenn Plinius sagt, erst Zeuxis habe den Pinsel zu gros- 
sem Ruhme geführt und selbst Quintilian's Worte, er habe die syste- 
matischeßAnwendung von Licht und Schatten erfunden, sind nicht an- 
zufechten, wofern man auf die vsystematischeu Durchführung den Nach- 
druck legt und ihm den Apollodor als Empiriker gegenübersteht. Wel- 
chen Grad von Illusionswirkung aber die Behandlung von Licht und 
Schatten sammt ihren Reflexen und dergleichen bei ihm erreicht habe,
	        
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