Volltext: Kunstgeschichte des Alterthums

Plastik. 
Die pergamenische und rhodische Schule. 
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sam ein Vermittlungsglied zwischen den zwei hervorragendsten Kunst- 
statten dieser Zeit, nemlich zwischen Pergamos und Rhodos. 
Der Inselstaat Rhodos war unter den wenigen Republiken dieser 
Zeit durch Handelsreichthum und die ihm wie kaum einer anderen durch 
Lage und Bedeutung mögliche Politik der Neutralität in der Lage, mit 
den glänzenden Königshöfen auch in Bezug auf Kunstliebhaberei zu 
rivalisiren. Dass dort zunächst lysippischer Einfluss herrschend war, 
erhellt aus dem Umstande, dass, nachdem der Meister selbst den 
Sonnengott auf der Quadriga dorthin geliefert, der Rhodier Chares zu 
Lysippos in die Lehre ging und dann seinen oben erwähnten Koloss in 
seiner Vaterstadt bildete. Diesem aber folgten hundert andere Kolosse 
Claselbst, von welchen der Stylzusammenhang mit den lysippischen 
Kolossalwerken glaublicher ist, als die Phrase des Plinius, dass jeder 
einzelne genügt haben würde, den Aufstellungsort berühmt zu machen. 
Zahlreiche Künstlernamen meist rhodischer Heimath, zum Theil noch 
in lnschriften auf den Basen gefunden, zum Theil von Plinius genannt, 
mögen mit diesen in Verbindung gebracht werden. 
Diese massenhafte Production von Kolossalwerken würde aber nicht 
im Stande sein, von der Kunsthöhe auf Rhodos eine besonders günstige 
Vorstellung zu erwecken, wenn nicht zwei Werke aus Rhodos erhalten 
Wären, welche allerdings schon im Alterthume aus den vielen rühmend 
hervorgehoben werden, nemlich die Gruppe des Laokoon im Vatican 
und der sog. farnesische Stier in Neapel. Die erstere Gruppe (vgl. 
F ig. 195), welche Plinius mit überschwenglichem Lobe das Werk der 
drei Rhodier Agesandros, Athanodoros und Polydoros nennt, 
wurde 1506, wenn auch nicht, wie Plinius meint, aus einem, sondern 
aus sechs Stücken bestehend, in den Ruinen des Hauses des Titus, in 
dessen Palaste Plinius sie aufgestellt erwähnt, gefunden. Sie stellt die 
Strafe des Priesters Laokoon, welcher einst am Altare in Liebe gesün- 
Cligt, durch zwei von Apollo gesendete Schlangen dar, eine Sühne, die 
dadurch tragisch wird, dass sie im Momente eintritt, in- welchem 
Laokoon seine Vaterstadt Troia zu retten im Begriffe steht, und dass 
sie auch die unschuldigen Kinder trifft, die jedoch in Sünde erzeugt 
Waren. Die Schlangen haben die drei Gestalten umstrickt, der jüngere 
Sohn erliegt eben dem tödtlichen Biss, von dem der auf den Altar 
gesunkene Vater nach verzweiilungsvoller Abwehr auch sich nicht mehr 
zu schützen vermag, während der ältere Sohn, zwar noch nicht augen- 
blicklich mit dem Tode bedroht aber doch schon unrettbar in den 
Schlingen des Schlangenleibes gefangen, mit hoffnungslosem Entsetzen 
den Blick dem Vater zuwendet. 
Rauen, Gesch 
Kunst.
	        
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