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Hellas.
hafte Wiedergabe jeder Detailerscheinung handelte, wie sie etwa die
Photographie oder jene verwerfliche Porträtbildnerei gibt, welche die
Aehnlichkcit durch die scharfe Beobachtung jeder auch für das Ganze
unwesentlichen Aeusserlichkeit zu erreichen strebt und welcher gerade
des Lysippos Bruder Lysistratos durch Herstellung von Gypsrnasken
nach der Natur für seine Porträts huldigte, sondern um die Feststellung
des Charakters in den Zügen, was wir übrigens schon an dem Apollo-
doros des Silanion gefunden, erhellt zunächst aus der Notiz von einigen
Porträts längst verstorbener und sogar sagenhafter Persönlichkeiten.
Denn konnte auch bei jenen noch ein älteres Bild über die wirklichen
Zuge belehren, so war diess gewiss nicht der Fall bei einem Aesop oder
den sieben Weisen, für deren geistige Eigenthümlichkeit, ja sogar wis-
senschaftliche Anschauung der Meister erst entsprechende Typen er-
finden musste. Auch bei dem Porträt, welches er am häufigsten bildete,
nemlich dem Alexanders des Grossen, war es von besonderer Bedeu-
tung, die an sich unschöne und fehlerhafte Gesichtsbildung des grossen
Königs durch den Ausdruck seines gewaltigen Charakters zu verklären
und so harmonisch zu durchdringen, dass selbst die Aehnlichkcit durch
eine solche zusammenfassende Zuthat noch gewann. Desshalb aber, weil
der Künstler auf diese Weise Alexanderporträts schuf, die von der
wirklichen und momentanen Erscheinung des Königs sich ebensosehr
und so vortheilhaft unterschieden, wie die historische Vorstellung einer
grossen Persönlichkeit von der Kenntniss derselben in ihrem alltäglichen
Leben, wollte Alexander von Niemandem andern plastisch gebildet sein
als von Lysippos, wie er auch keinem anderen Pinsel zu Modell sass als
dem des Apelles. Um die Auffassung des Lysippos anschaulich zu ma-
chen, wird freilich selbst nicht das beste unter den erhaltenen Alexan-
derporträts, die Büste im Capitol, genügen. Wie grossartig aber solche
monumentale Porträtschöpfungen waren, davon gibt die Nachricht von
der Gruppe zu Dium (später in die Porticus der Octavia zu Rom ver-
setzt) einige Vorstellung, nach welcher dieselbe, eine Scene aus der
Schlacht am Granikos darstellend, die fünfundzwanzig Reiter enthielt,
welche um den König gefallen waren und dazu noch neun Krieger zu
F uss, zu welchen wahrscheinlich noch mehre von den Feinden gerechnet
werden müssen.
Die bedeutendste Gruppe neben der behandelten bilden die lysip-
pischen Heraklcsdarstellungen. Nicht in idealer Erhebung über das
Menschliche, sondern vielmehr in der Potenzirung des Menschlichen
bestehend stellt der lysippische Heraklestyptls sich in einen überaus
bezeichnenden Gegensatz zu den schlechthin menschlichen Typen eines