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Ilellas.
komedes von Bithynien den Knidiern für diesen Preis freilich ver-
geblich die Tilgung ihrer ganzen Staatsschuld anbot. Die Stirn, die
feuchtglänzenden Augen und der in sanftem Lächeln leise geöffnete
Mund werden als wunderbar geschildert; die ganze Gestalt aber war
dazu angethan, den Marmor vergessen und die Liebesgöttin wie in
Wirklichkeit erscheinen zu lassen. Hinsichtlich ihrer Auffassung beleh-
ren knidische Münzen, dass sie vollkommen nackt in der Linken ein
Gewandstück hielt, welches auf einem Gefässe auflag, Während die
Rechte vor die Scham gehalten War, und nach dieser Darstellung steht
unter den zahlreichen erhaltenen Aphroditenstatuen die Aphrodite Bras-
chi der Münchener Glyptothek der Knidierin am nächsten: vielleicht
sogar näher als der Vergleich mit der Münze zu erlauben scheint, we-
nigstens hält sich derVerfasser aus der Münzpraxis zu derAnnahme be-
rechtigt, dass Nachbildungen von Kunstwerken aus dem Gebiete der Ar-
chitektur wie der Plastik in den meisten Fällen nur in äusserlichen Cha-
raktcristiken und Attributen verlässig sind, sonst aber cinc Selbstän-
digkeit und Ungenauigkeit der Stempelschneider verratheif, welche man
nach moderner Behandlung kaum begreift. In diesem Falle könnte man
vielleicht sogar sagen, dass die knidische Aphrodite, wenn die Münz-
nachbildung verlässig, kein grosses Kunstwerk hätte sein können. Der
Knidierin musste an Hoheit und Schönheit eine zweite aber bekleidete
Aphrodite in Kos gleich kommen, Wenn wir nicht annehmen Wollen,
dass die Koer ohne Kunstverstäildniss gewesen: denn sie gaben ihr, da
ihnen vom Künstler die Wahl eingeräumt war, vor der knidischen den
Vorzug. Von den drei übrigen weniger bekannten Aphroditen mag wohl
die thespische, die neben dem Bilde der Phryne aufgestellt war, im Ge_
gensatz zur menschlichen Schönheit dieser die göttliche repräsentirt ha-
ben. Der Liebesgöttin reihten sich drei bis vier Darstellungen des Eros
an, desiLiebesgottes in blühender noch knabenhafter Jünglingsgestalt,
von denen die thespische, welche Phryne dem von ihr geliebten Meister
ablockte und dort zwischen ihrem und der Aphrodite Bilde weihte, die
berühmteste gewesen zu sein scheint. Epigramme und Nachrich-
ten schildern diese wie auch die übrigen hauptsächlich in Bezug auf
den Ausdruck als nicht mit dem Pfeile sondern mit dem Auge ver-
wundend.
Weiches, fast weichliches Gemüthsleben offenbart sich dann auch
in den herrlichen Jünglingsgcstalten, von welchen der Sauroktonos, der
Eidechsentödtei" (beste Nachbildung im Louvre), die ähnlich sinnigen
und träumerischen ruhenden Satyrn (von Welchen zahlreiche Copien in
mehren Museen) oder der auf den Thyrsos gestützte, lächelnd schwär-